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Genealogie

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Windsor: Genealogie eines Königshauses

London ist verrückt danach, das Wohl und Weh des Königshauses zu verfolgen. Jährlich erscheinen Dutzende von Büchern, wer mit wem, wie lange noch, ob Diana, wann Charles, warum Camilla; viele werden zu Bestsellern. Es gehört zum guten Ton, bei Bedarf Kostproben seines royalen Wissens zu bieten. Lassen Sie uns also einige Hintergründe ausbreiten, mit denen Sie auf der nächsten Party Achtungserfolge erzielen.

Elisabeth II. und Prinz Philipp bilden die 24. Generation seit dem Sachsenherzog Heinrich dem Löwen. Über dessen Sohn Wilhelm von Lüneburg (1184-1213) führt die Stammlinie geradewegs zum Urenkel Jakobs I.: 1714 wurde der erste der vier Georgs aus Hannover nach England berufen. Der Landessprache nicht mächtig, parlierte er bei Hofe französisch, mit Premier Walpole gar lateinisch, was nicht einfach war, da Briten das Idiom Ovids anders aussprechen als deutsche Eleven.

Erst Georg III. empfand sich als Brite, was früh in eine Geisteskrankheit mündete. Darum musste er von seinem Sprössling vertreten werden, dem lebenslustigen Georg IV. Von einem Sohn Georgs III. nun stammt das heutige Welfenhaupt Ernst August von Hannover ab, während sich unter Elisabeths Altvorderen ein anderer Sohn Georgs findet. Herzog Eduard von Kent (1767-1820) ehelichte 1818 Prinzessin Viktoria von Sachsen-Coburg, deren Geblüt die erfolgreichsten Einheirater in Europa waren. Bald gebar Prinzessin ein Mädchen namens Victoria; 1837 erhielt es den Zunamen Queen, den es bis zu seinem Tode 1901 behielt.

Auch Königin Viktoria (1819-1901) heiratete einen Coburger, nämlich Prinz Albert. Ihr Sohn Eduard VII. (1841-1910) durfte wegen seiner rüstigen Mama erst mit 60 Jahren auf den Thron, was ihm zuvor immerhin ein flottes Leben in Paris bescherte. Nachfolger Georg V. (1865-1936) hielt sich wacker, dann folgten gleich zwei seiner Söhne als Monarchen: Eduard VIII. 1936 mit einem viermonatigen Intermezzo, bis er aus Liebe zur zweifach geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson auf den Thron verzichtete, und dann sein Bruder Georg VI. Da Briten bei Ermangelung älterer Söhne die weibliche Thronfolge kennen, wurde 1952 seine Tochter Elisabeth zur Königin.

Prinz Philipp von Edinburgh ist ebenfalls ein Nachkomme Viktorias, und damit Heinrichs des Löwen. Ihre Tochter Alice (1849-78) heiratete den Großherzog Ludwig von Hessen. Daraus entsprang eine Viktoria (1867-1950), die den Marquess von Milford-Haven ehelichte. Deren Tochter Alice (1885-1968) bekam Andreas von Griechenland ab – und das nun sind die Eltern des gegenwärtigen Prinzgemahls. Mit anderen Worten: Philipp hat dieselben Ururgroßeltern wie seine Frau.

Aber auch die 25. und 26. Generation seit „dem Löwen“ leben bereits. Elisabeths Sohn Charles (1948-), Prinz von Wales, dreht schon fast so lange Warteschleifen wie einst Eduard VII. Seine Hoffnungen, dereinst der Mutter nachzufolgen, leiden erheblich unter der missglückten Ehe mit Diana Spencer (1961-97) und der Affäre mit Camilla Parker-Bowles. Im Falle eines rege diskutierten Thronverzichts von Charles würde sein Sohn William (1982-) Elisabeth dereinst nachfolgen. Nächster in der Königsschleife wäre dann dessen Bruder Harry (1984-), der Party-Prinz.

Tu quoque, Diana

Auch Diana Spencers Wurzeln lagen in Deutschland. Die Queen of Hearts stammte in elfter Generation von Meinrad Graf von Schomberg (1641-1719) ab, der mit Caroline von der Pfalz verheiratet war, der Stiefschwester der Heidelberger Schlossdame Liselotte von der Pfalz (1659-1721). In Dianas 30. Ahnengeneration stößt man im 12. Jh. auf den Zähringer Berthold I., den Gründer von Freiburg und Bern.

Aufregung um die Gebrüder Potts

Seit 1996 hantieren zwei britische Forscher mit einer genealogischen Bombe. Malcolm und William Potts, Embryo- bzw. Zoologe, ziehen in einem Buch die Legitimität der Windsors in Zweifel, da Königin Viktoria kein Kind Eduards von Kent gewesen sein könne. Zum einen war Eduard, als er 1818 heiratete, ein abgetakelter Bonvivant von 51 Lenzen, der nicht mal in seiner 27-jährigen Liaison mit einer Mätresse Kinder produziert hatte. Er heiratete die Coburgerin in höherem Auftrag, um einen Thronerben zu zeugen, da unter Georg IV. keiner mehr vorrätig war. Selbst Eduard hegte Zweifel, ob er den Auftrag erfüllen könne, und schrieb einem Intimus: „Ich hoffe, dass ich noch die Energie haben werde, meine Pflicht zu tun.“

Dass er es nicht mehr schaffte, schließen die Potts aus einem anderen Indiz. Wie bekannt, gab Viktoria die Bluterkrankheit an ihre Nachkommen weiter, auch den letzten Zarewitsch. Vom „Vater“ könne die Königin das Hämophilie-Gen aber nicht erhalten haben, da es bei keinem seiner Vorfahren auftrat. Die Bluterkrankheit wird von Frauen übertragen, bricht aber nur in Söhnen aus. Da die Chance einer Genmutation bei 1:50.000 liege, müsse jemand anderes das unselige Erbe an Viktoria weitergegeben haben – ein unbekannter Vater, der an Stelle des ausgelaugten Eduard von Kent bei dessen Gattin seine „Pflicht“ getan habe.

Thronfolge: Wird Ernst August der nächste König?

Wenn die Brüder Potts recht hätten, fiele die Legitimität aller Monarchen seit Viktoria in sich zusammen. Für England kommt diese These einem Erdbeben gleich. So löste die Idee von Malcolm Potts, Gewebeproben von Viktoria und ihren Eltern zu untersuchen, Empörung aus: „Eine Queen ausgraben? Niemals!“ Falls Viktoria tatsächlich ein „Bastard“ war, hätte sie nicht auf den Thron gelangen dürfen. Der rechtmäßige König wäre an Elisabeths Stelle ? Ernst August von Hannover, der Pinkel- und Prügelprinz.