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Deutsch und Englisch: Vom Zaun zur Town

Deutsch und Englisch sind als germanische Sprachen näher verwandt, als es den Anschein hat. Keineswegs stammt die eine Sprache von der anderen ab. Beide entsprangen denselben Wurzeln, doch unterlag ihr Vokabular im Laufe der Zeit einigem Bedeutungswandel.

Zwar erkennt jeder den Raum in room, die Kuh in cow, das Windauge in window, vielleicht auch das norddeutsche lütt bzw. Buddel in little und bottle. Problematisch sind aber schon die Blutsbande bei heischen-ask, (entgegen)schwören-answer, wenden-went (to go) und ritzen-write. Zwischen Zaun und town vermittelt das niederländische tuin (Garten). Wie nahe selig an silly liegt, merkt man nicht erst an El Grecos verzückten Korkenzieher-Heiligen.

Doof ist deaf (taub), dumm ist dumb, erinnert ans ältere deutsche tumb und heißt stumm (niederl. doofdomm = taubstumm). Will der Engländer ausdrücken, dass jemand doof sei, muss er daft sagen.

Ein marshall ist nicht dem Marschall ebenbürtig. Beide entstammen aber dem Pferdestall: mare-scalk = Mähren-Schalk (Pferdeknecht). Der Knecht, im Mittelenglischen noch knicht gesprochen, hat sich später zum Ritter (knight) aufgeschwungen. Die Generale hinterließen uns das Vergattern, im Englischen to gather.

Seit den Überfällen der Wikinger halten sich speziell an der Westküste alte Ausspracheformen. So sagen Schotten zur night noch „nicht“, daughter wird zur „dochter“, eine Kirche zur „kerk“. In Teilen Yorks existiert noch das antiquierte Fürwort für die zweite Person Singular: thou, gesprochen mit au oder u (you ist eigentlich „ihr“, also Plural). Sommersprossige Rotschöpfe zeugen davon, dass die dortigen Mädels den Wikingern nicht abhold waren.

Nach wie vor besteht Englisch zu 80% aus Wörtern germanischen Ursprungs. Wer Texte aus dem Deutschen überträgt, wundert sich stets, wie simpel Sachverhalte auszudrücken sind. Manchem klingt es fast unterbelichtet, wenn fortwährend kurze Hauptsätze gebildet und per „und“ aneinandergefädelt werden. Im Deutschen geht das nicht. Hier wird häufig substantiviert, was auf englisch auch verbal auszudrücken ist.

Je abstrakter es wird, desto mehr nutzt das Englische französischstämmige Wörter. Das ist ein Erbe des Normanneneinfalls und beruht auf schlechter Nachhilfe. Durch französisches Lotterleben waren die „Nordmannen“ verweichlicht und hatten fern der Heimat ihr Wikingisch aufgegeben, da es zum Bestellen von Hummer oder Froschschenkel bei einheimischen Köchen nichts taugte. Wollten sie Kalb ordern, ging das nur als „veau“ (veal). Die Angelsachsen hatten sich also umzustellen: das germanische calf blieb fürs lebende Tier. Ähnlich erging es anderen verzehrbaren Tieren. Das Schaf, auf der Weide noch ein sheep, mutiert im Kochtopf zum mutton (franz. mouton), die Kuh wird von der cow zum beef (franz. boeuf) und das Schwein vom pig/swine zum pork (franz. porc).

Cockney: Ein verzweifelter Kampf ums H

Der Akzent spielt in GB noch eine große Rolle, auch wenn, was man heute accents nennt, eher Industrie-Dialekte sind, ähnlich wie das Gemisch im Ruhrpott, das sich durch den Zuzug von Menschen aus vielen Regionen bildete. Der berühmteste Dialekt herrscht natürlich in London: Cockney. Der Name für diesen Slang der Unterschicht stammt von cock-ay. Ein Hahnenei? Da Hähne bekanntlich die besten Eier legen, bedeutet das etwas (aus Adelssicht) Wertloses.

Zuerst fällt auf, dass die gewohnten ei (came) alle zu ai (hide) mutieren. Das echte ai erhält dafür eine dezente Färbung zum oi hin. Typisch ist auch das „Äitsch-Dropping“, das Weglassen des h im Anlaut. Das house wird einem Eastender zum ´ouse. Auf dieser Einsparung beruht die berühmte, für Nicht-Briten unkomische Szene im Musicalfilm My Fair Lady: Mühsam lernt da Audrey Hepburn, vor der angezündeten Kerze ein h zu hauchen. Der Lohn ihrer Mühe wartet im Lied „Just you wait (white), `enry `iggins“.

Doch das ist nur die halbe Geschichte. H´s finden sich plötzlich im Anlaut, wo sie gar nicht hingehören. Auch ums gelispelte th liefern sich Cockneys verzweifelte Kämpfe. Stimmhafte Laute wie in another werden zu w (Wein), stimmlose wie in nothing zu f (Fax). Da die Endung ing gern zu in´ verkürzt wird, hört sich das nun wie nafin an.

Und am Wortende? Erst weil das schwache e als Überleitung zum nächsten Wort zum a wird, sind Werbesprüche wie „Drinka pinta milka day“ möglich. Ferner erklingt statt eines t häufig ein glottal stop durch Verschluss des Kehlkopfdeckels (Glottis). Man beachte, auf welche Weise viele Londoner bottle oder lot aussprechen.

Cockney: Wieso kriegt Bush die Himbeeren?

Weil ihm keiner Lorbeeren schenken will. Etwas anderes ist es mit den aromatischen Früchtchen des Rubus idaeus-Strauchs. Als Schlechtester Darsteller des Jahres 2004 (in „Fahrenheit 9/11“) wurde George W. Bush im Feb 2005 beim Golden Raspberry Award in Santa Monica CA mit fünf Plastik-Himbeeren im Wert von 10 $ geehrt. Wieso nicht saure Zitronen, bittere Pampelmusen, matschige Tomaten? Briten und Amerikanern stellt sich die Frage nicht. Unter raspberry verstehen sie einen misstönenden Furz. Genauer: dessen Nachahmung. Noch genauer: Wenn ein Engländer im Theater sein Missfallen bekunden will, führt er die Zunge zwischen die befeuchteten Lippen und lässt Luft ab. Das klingt derb, aber deutlich.

Und was hat eine bilabiale Flatulenz mit Himbeeren zu tun? Um 1850 erfanden Londons Cockneys den rhyming slang, eine sinnfreie Spielerei, bei der das gemeinte Wort durch frei gewählte Wörter ersetzt wird, die sich auf jenes reimen. An die Stelle von stairs treten apples and pears, später zu apples verkürzt. Ähnlich ward fart (Furz) durch raspberry tart (Himbeertorte) ersetzt, dessen Kurzform raspberry nun das erwähnte Geräusch bezeichnet – und jede Art energischer Ablehnung.

Übrigens: Im Gegensatz zu Hale Berry, Schlechteste Darstellerin 2004 (in „Catwoman“), die sich als gute Verliererin immerhin ihre Himbeeren abholte, blieb Bush der Ehrung fern. Vielleicht steht der wackere Weltenlenker eher auf Erdbeeren, denn strawberries stehen für „Komplimente“.