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Erziehung

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Kindheiten

Was macht bloß diese gute Erziehung aus? Das beginnt mit nursery rhymes, die jedes Kind aufsagen kann, lange bevor es ihren geschichtlichen oder politischen Inhalt versteht.

Ring a ring a roses/ a pocketful of posies/ a tissue, a tissue, we all fall down.

Gut, dass die Kleinen das nicht als brutale Erinnerung an die Pest begreifen. Rosen stellen die Ringe um die Augen dar, Lavendelsträußchen und Tuch vor dem Mund sollen vor Ansteckung schützen bzw. den Leichengestank abwehren. Doch am Ende ist alles umsonst.

Humpty Dumpty sat on a wall/ Humpty Dumpty had a great fall. All the King´s horses and all the King´s men/ couldn´t put Humpty together again.

Obwohl dieser Kinderreim älter ist als Horatio Nelson, wird er mit dem kleinen Admiral assoziiert, der in der Schlacht von Trafalgar 1805 sein Leben ließ, mit seinem Sieg aber die britische Herrschaft über die Weltmeere sicherte und dafür auf dem gleichnamigen Square mit einer Säule geehrt wird.

Eine Grundlage englischen Wesens ist auch das Aushalten von Widrigkeiten. Schon Kinder werden darin geübt, gelassen auf Demütigungen oder Schwierigkeiten jeder Art zu reagieren. Sie lernen die Kunst der stiff upper lip, also keine Miene zu verziehen, aber auch des fair play. Sie erfahren von der moralischen Überlegenheit des Einen gegen alle und von der Tugend des underdogs, des Letzten auf der Rangleiter. Als unverzichtbar gilt auch, in jeder Lage pechschwarzen Humor zu bewahren. Tongue in cheek eben. Englische Erziehung sorgt im Idealfall dafür, dass ihr Zögling so wird wie all die Generationen vor ihm: Anarchist und Ordnungstier, leidenschaftlicher Individualist und ein Vorbild an Solidarität.

Schule fürs Leben

Sinn für Solidarität wird dem Engländer von früh auf eingebläut. Gemäß Tradition beginnt jeder Schultag mit der assembly und dem gemeinsamen Gebet (das manche Schulen inzwischen durch Absingen populärer Lieder ersetzen – aber Hauptsache „all together now“ ). In fast allen Lehranstalten gibt es gemischte Klassen und Uniformzwang: Blazer und Rock oder Hose einer festgelegten Farbe, dazu passend Hemd, Pullover und die Krawatte als wichtigstes Erkennungsmerkmal.

Seine Kinder steckt das Bürgertum in staatliche Gymnasien (grammar schools), die eine Aufnahmeprüfung von jedem Schüler verlangen. Damit unterscheiden sie sich von Gesamtschulen (comprehensive schools), die jedes Kind einer Gegend aufnehmen müssen, wie von Privatanstalten (public schools), die Bewerber einer scharfen Auswahl unterziehen.

In den Augen vieler Eltern verknüpfen grammar schools eine elitäre Idee – die stets geschätzt wird, wenn auch nur heimlich – mit dem staatlichen Anspruch nach Gerechtigkeit. Die Schulverwaltung liegt bei den boroughs, die lokalen Bedürfnissen entgegen kommen. Folglich bieten viele Grundschulen ein „multi-ethnisches“ Lehrprogramm, in dem bis zu 14 Muttersprachen berücksichtigt werden.

Comprehensive schools wurden in den 1960ern von Labour als Gesamtschulen gegründet, um mehrere Sekundarstufen zusammenzufassen (für die einst nach dem IQ gesiebt wurde!). Diese Anstalten mit 200-500 Schülern werden von Eltern und Lehrern gemeinsam geleitet. Ihr Lehrplan unterscheidet sich von Ort zu Ort. Ab 14 Jahren stellen Gesamtschüler sich ihre Kombination zusammen und legen ihr certificate of secondary education in bis zu zehn Fächern ab, bevor sie mit 16 abgehen. Wer studieren will, muss zwei Jahre länger büffeln und drei anspruchsvollere Prüfungen bestehen: advanced levels.

Gemäß englischer Logik handelt es sich bei einer public school um ein privates Internat, das seinen Zöglingen jene Strenge angedeihen lässt, die zum Symbol von good old England geworden ist. Freilich genießen nicht alle den elitären Ruf von Eton; auch nicht deren Methoden. Public bezieht sich darauf, dass Kinder aus dem ganzen Land aufgenommen werden, während öffentliche Schulen für eine Gemeinde oder einen Stadtteil zuständig sind. Sechs von 100 jungen Engländern werden vom Kindergarten bis zur Hochschulreife in independent schools (wie sie sich selbst gerne nennen) unterrichtet. Für die Aufnahme braucht man zweierlei: reiche Eltern, denn pro Trimester sind ab 4000 € fällig, und genug in der Birne, um die schwere Aufnahmeprüfung zu bestehen. In den 1980ern gelang es den public schools, sich den neuen technischen und wissenschaftlichen Anforderungen zu stellen, heute gelten sie als Avantgarde des neuen Unternehmergeistes. Lang lebe Maggie.

Public Schools: Mit Harry Potter zur Elitenbildung?

Internate enthalten alle Ingredienzien, die Albions Elite für ihren Fortbestand nötig dünken: häufige Leibesübungen, Altgriechisch und Latein satt, dazu eine grimmig erfochtene Hierarchie unter den Schülern. Sie leben unter der Fuchtel älterer prefects und gleichaltriger class leaders. Außerdem werden sie auf rivalisierende „Häuser“ verteilt, deren Ehre sie verteidigen müssen. Klingt nach Harry Potter, bloß ohne Quidditch. Dieses System wird von der Mehrzahl der Briten als upper class-Arroganz verworfen, zugleich aber beneidet. Zwar wird es nur von 6% aller Schüler absolviert, bringt aber 20% der Studenten hervor. Mit reichen Eltern geht eben alles.