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Bankside

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South Bank & Bankside

Ein Ausflug über den Fluss gefällig?

Auf diese Frage werden Londoner, die nördl. der Themse wohnen, so erstaunt reagieren, als hätten Sie ihnen eine Tasse lauwarmen Tees angetragen. Und doch, es gibt es ein Leben jenseits der Themse. Das war zu Shakespeares Zeiten so, und es gilt wieder, seit London Eye, Tate Modern und Globe Theatre den Uferstreifen aus seinem Dornröschenschlaf erweckten.

Bus-Tipp

Die South Bank Marketing Group (T. 7202 6900. www.southbanklondon.com) müht sich emsig, die neuen Reize des Südufers im Bewusstsein der Welt zu verankern. An freien Broschüren, Karten und Tipps für Spaziergänge herrscht an keiner Museumstheke Mangel. Die reizvollste Gelegenheit für einen gemütlichen Überblick bietet aber die neue Buslinie RV1. Von Covent Garden aus über die Waterloo Bridge kommend, verbindet sie auf ihrem Weg zum Tower Gateway alle der folgenden Adressen.

Themse: Die zähen Schwäne Ihrer Majestät

Nahezu jeder Schwan (cygnus olor) in England gehört der Krone, zumal wenn er sich in den Colleges von Oxford und Cambridge oder den Royal Parks in London herumtreibt. Lange bedurften sie dieses Schutzes wider kulinarische Gelüste. Die langhalsigen Vögel mit edler Gleit- und erschreckender Fauchkraft gelten seit dem Frühmittelalter als königliche Wesen, wurden aber nicht nur bei Wilderers verzehrt, sondern auch bei Hofe. Ob ihr (auch nach stundenlangem Kochen) zähes Fleisch oder das zu geringe Fassungsvermögen der Küchentöpfe sie später vor Nachstellungen rettete, ist nicht bekannt.

Alljährlich steigt in der zweiten Juliwoche die Zeremonie des Swan Upping (www.thamesweb.co.uk/swans). Der Schwanenaufseher Ihrer Majestät und seine Mannen stechen in Fluss, um die Schnäbel jener Schwäne zu kennzeichnen, die zwei Gilden der City gehören. (Schwäne der Königin werden nie gekennzeichnet. Of course not, schließlich begegnet man HM´s Wappen oft genug: auf Gebäuden, Laternenpfählen, Telefonhäuschen, Kupferschildern, Pferdezügeln, selbst auf Waffenröcken der Beefeaters im Tower.)

Per Vertrag von 1665 ist den Färbern (dyers) und Winzern (vintners) als einzigen Lebewesen außerhalb des Königshauses gestattet, Schwäne auf der Themse zu besitzen. Weil das Kennzeichnen nie ohne Blessuren abging, besteht das upping heute nur aus dem Wiegen und Beringen der Jungtiere, was auch keine einfache Übung ist. Zum Abschluss halten sich alle Teilnehmer bei einem Bankett schadlos – mit gegrilltem Schwan.

Jenseits der Themse: Bärenkämpfe & Bordelle

Solange am Nordufer nur die City stand, die innerhalb ihrer Mauern kein Schauspiel duldete, lagen jenseits der London Bridge die Stätten zur Volksbelustigung. Im 16. und 17. Jh. besuchte halb London die Paris Gardens, die Bärenkämpfe in den Arenen, die Bühnenstücke von Shakespeare und Zeitgenossen im Globe, Rose, Swan oder Hope. Danach ging man zu fröhlichen Gelagen in die Stew Banks, die sich als Schwitzbäder tarnten und als Bordelle dienten, trotz der Nähe zur Southwark Cathedral.

In der Literatur hat das Südufer schon seit Geoffrey Chaucer einen festen Platz. Durch die Borough High St, seit den Römern die Haupttrasse nach Südengland, schob sich in den Canterbury Tales die Prozession der Gläubigen, die im 12. Jh. nach Canterbury strebten, wo Bischof Becket ermordet worden war; Chaucer ließ seine fiktiven Pilger von der illustren Tabard Tavern aufbrechen.

Charles Dickens siedelte 1837 abenteuerliche Szenen aus den Pickwickern an der Bankside an, im White Hart Inn. In jungen Jahren hatte der Dichter in der Land St gewohnt und in einer Fabrik Etiketten auf Bohnerwachsflaschen geklebt, während sein verschuldeter Vater im Gefängnis von Marshalsea darbte. Später verlegte Dickens mehrere Romanepisoden in diesen Knast.

Der Blick von Southwark über die Themse hat nichts von seiner Erhabenheit eingebüßt, allerdings hat sich die Kulisse mächtig verändert. Auf den Gemälden Canalettos sieht man die Hügel des vor-industriellen Londons um 1745, gesäumt von Bürgervillen, Wrens Kirchtürmen und gondelförmigen Schiffe. 100 Jahre später beschreibt Dickens denselben Fluss im ironischen Dialog mit Old Father Thames so:
Das Wasser ist hier aber dick, Vater Themse. Und was ist das für ein schwarzer, schlammiger Strom, der sich in euch ergießt, unter jenem Brückenbogen aus rauchenden Ziegeln? – Oh! Das ist nur einer meiner Abwasserkanäle.

Nicht mehr Stink. Zu Dickens´ Zeiten erhielt die Themse den Beinamen The Great Stink. Zu Ansehen gelangte sie erst wieder, als in den 1950ern die Einleitung von Industrieabwässern verboten wurde. Ein langfristiges Umweltprogramm ? auch das ist in London möglich! ? hat den totgesagten Strom wieder zu halbwegs sauberem Leben erweckt, in dem der Lachs wieder zieht und an einigen Stellen sogar wieder gebadet wird. Was sonst noch darin kreucht und schwimmt? Delphine, Seehunde, Seepferdchen – siehe Chronik/2005.