Machen wir ein Buch?

Reise, Sachbuch, Belletristik ...?
Alle interessanten Themen;
alles was bewegt.

Hier geht´s weiter!

Lambeth

Body: 

SE1: Lambeth

Arbeitsviertel Londons

U Lambeth North.

Der Stadtteil südl. der Westminster Bridge Rd liegt dem Parlament gegenüber, und doch Lichtjahre davon entfernt. Vermutlich war´s ein Treppenwitz der Stadtplanung (Planung? in London? ha!), dass in Lambeth ein Museum zeigt, wo wieviele Soldaten zertätscht wurden, während einen Kanonenschuss weiter ein anderes Museum zeigt, wie man sie mühsam heile macht. Oder zumindest einsatzbereit, auf dass der nächste General sie verheize. Vielleicht ist dieser Doppelpass aber gar nicht deplatziert: Als Kleinbürger- und Arbeiterviertel musste Lambeth mehr als den durchschnittlichen Anteil seiner Söhne für die Kriege des Empire hergeben. Zur Beruhigung der Nerven, quasi als Riechsalz, bot/bietet sich ja danach die Hohe Schule der Gartenbaukunst an.

Florence Nightingale Museum 2 Lambeth Palace Rd, St Thomas´s Hospital, SE1, T. 7620 0374. www.florence-nightingale.co.uk. 500m westl. von U Westminster. Mo-Fr 10-17h, Sa/So -16.30h. Eintritt 9/7 €, Kind (5-18) 7 €, Familie 20 €.

Diese epische Sammlung ergreift die Herzen all jener, die in der Krankenpflege tätig sind, waren oder sein wollen. Ausgestellt sind Krankenzimmer, Uniformen und Möbel vieler Epochen, natürlich auch einiges über die resolute Namensgeber. Während des Krimkrieges 1854, dem ersten „modernen“, also richtig dreckigen Krieg, zog Schwester Florence (1820-1910) in die Türkei, um verwundete Soldaten zu pflegen. Nach ihrer Rückkehr 1859 richtete sie die Schwesternschule des St Thomas´s Hospitals ein und wurde zu einer Galionsfigur des Feminismus.

Gartenmuseum

Museum of Garden History Lambeth Palace Rd, beim S-Flügel des Lambeth Palace, SE1, T. 7401 8865. www.museumgardenhistory.org. 800m sw von U Lambeth North, Bus 507/C10. Feb-Mitte Dez tgl. 10.30-17h. Eintritt frei, 3 € Spende üblich.

Zwar stehen der Lambeth Palace, der Londoner Wohnsitz des Erzbischofs von Canterbury, und der immense Archbishop Park dahinter Besuchern selten offen. Doch dessen Kirche St Mary-at-Lambeth (Turm 14. Jh.), die das harmonische Ensemble in malerischer Lage komplettiert, hält eine Überraschung bereit: siehe Kasten.

Wer beaufsichtigt die Seidenraupen Seiner Majestät?

Im 17. Jh. wohnte die Familie Tradescant, Stammgärtner von Karl I. und Karl II., ums Eck in der South Lambeth Rd. Von ausgiebigen Reisen durch den Mittelmeerraum und Virginia brachten Vater John (1608-62), später auch Sohn John Hunderte „unbekannter“ Pflanzen nach London, inklusive der Ananas. Teils landeten die Exoten in Royal Parks, teils bildeten sie den Grundstock des Ashmolean-Museums in Oxford, doch auch für The Ark blieb genug übrig. Dieses Kuriositätenkabinett der Tradescants war im 17. Jh. einer von Londons Publikumsmagneten.

St Mary dagegen verfiel nach ihrer Säkularisierung, bis Gartenfreunde 1972 ihre Instandsetzung und die Neuanlage der Gärten finanzierten. Nun ist das Kirchenschiff prall gefüllt mit Gerätschaften aus einer Zeit, da herrschaftliche Parkanlagen noch mit riesigem Personalaufgebot eingerichtet wurden. Manches erinnert an Großmeister der Zunft wie Gertrude Jekyll, deren farbige Pflanzpläne von 1920-30 Gartendesigner bis heute inspirieren. Den Hauptteil bilden aber Reisesouvenirs der Tradescants. Vater John war ja einer der Pioniere, als gardening Mitte des 17. Jhs. unter Adligen in Mode kam. Nachdem er u.a. die berühmten Gärten von Hatfield House eingerichtet hatte, erhielt er von Karl I. den eigens kreierten Titel als „Aufseher der Gärten, Weinberge und Seidenraupen Seiner Majestät“.

Vater und Sohn Tradescant liegen auf St Marys Friedhöfchen, das ein fein manikürter Knotengarten im Stil des 17. Jhs. ziert. Daneben ist die Grabstätte von William Bligh (1754-1819), dem Kapitän der Bounty – bis zur legendären Meuterei 1789. Auch Bligh war die Botanik nicht fremd: Sein Schiff hatte den Auftrag, Setzlinge des Brotfruchtbaums aus der Südsee nach Jamaika zu befördern, als künftiges billiges Nahrungsmittel für Sklaven.