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Architektur

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Bürger in Chelsea

Bauen wie Georg

London berührt mich besonders wegen der Spaziergänge entlang der Themse nach Little Chelsea. Dort gibt es kleine, mit Rosen geschmückte Häuser, die für mich das höchste Entzücken bedeuten. (Stendhal, 1821)

Seit Elisabeth I. konnte England sein Handelsimperium stetig ausdehnen und seinen Reichtum mehren. Familien, die daran beteiligt waren, zogen bald von ihren Landsitzen nach Mayfair, wo sie sich in Residenzen einrichteten, die ihrem Selbstverständnis entsprachen. Bald ahmten Kleinbürger diesen Stil nach, weniger prunkvoll und mit billigeren Baustoffen. So entstanden ziemlich vornehme Vororte, deren vornehmster heute Chelsea ist. Daran wird sich dank der Nähe zu Fluss & Grün und der Ferne zum West End-Stress wohl nie etwas ändern. Verlockend sind vor allem seine Häuser und Plätze im georgianischen Stil.

Idealmaße. Schon die Bezeichnung führt leicht in die Irre. Tatsächlich fand die entsprechende Bebauung nach und nach unter der Regentschaft von Anne, Georg I. bis IV. und Wilhelm IV. statt, also 1702-1840. Eher hoch als breit, besteht das georgianische Idealhaus aus drei Stockwerken über einem Zwischengeschoss, wobei alle Fenster symmetrisch zu sein haben. Es wird mit Londoner Ziegeln errichtet und reichlich Stuck verziert. Säulenverzierte Außentreppen streben zu Haupteingängen, vergitterte Treppchen zum Souterrain, dessen Fenster gerade noch auf Bodenhöhe sind.

Kanäle. Die Anordnung rührt daher, dass Abwässer früher durch offene Kanäle in den Straßen geleitet wurden. Also wurde die erste Wohnetage über der Straße gebaut und per steinernem Steg mit ihr verbunden, während das Untergeschoss Küchenräumen und Hausangestellten vorbehalten war. Schwarz vom Scheitel bis zur Sohle, schüttete der Kohlenhändler einmal pro Woche den Inhalt seiner Jutesäcke durch ein Kellerloch hinein. Gitter über dem Abwasserkanal sollten verhindern, dass Passanten hineinfielen, doch Suffragetten und spätere Demonstranten wussten sie besser zu nutzen: als Protesthelfer, an den man sich feierlich anketten konnte. Heute sind die Erdgeschosse zu geräumigen Essküchen umgebaut, wie die Mittelklasse sie liebt, und der Abstand zwischen Straße und Basement wird zum Abstellen von Fahrrädern und Gartenwerkzeug genutzt.

Souterrain. Auch in der Mythologie von Londons Kindern spielt das Souterrain eine Rolle. So lehrt Alan A. Milne (1882-1956), Ziehvater von Winnie the Pooh, dass Bären aus ihnen krabbeln können, um Kinder aufzufressen, die auf die Rillen zwischen den Gehsteigplatten treten. Natürlich gehört zum Spiel nicht nur, die Rillen zu überspringen, sondern auch, die Kameraden möglichst draufzuschubsen.

Whenever I walk in a London street/ I´m never so careful to watch my feet/ I keep in the squares/ And the masses of bears/ Who wait at the corner all ready to eat/ The sillies who tread on the lines in the street.

Erbsenbrei. Die Hauptgeschosshöhe eines georgianischen Hauses beträgt oft 4m oder mehr, weil bis gegen 1910 die Beleuchtung aus Talglichtern bestand, deren Qualm die Bewohner umso weniger beeinträchtigte, je höher das Zimmer war. Dennoch wurde manche Mahlzeit durch den pea-souper (Nebel dick wie Erbsenbrei) verdorben: Solange mit Kohle geheizt wurde, teils bis 1950, saß man oft im gelblichen Dunst.