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Strand / St. Paul

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EC4: Von Strand bis St Paul´s

Die folgende Route ist ohne Besichtigungszeiten in 1 Std abzuspazieren. Ausgangspunkte: Strand und Templebezirk; siehe Holborn, WC2.

Dr Johnson´s House 17 Gough Square, off Fetter Lane, EC4, T. 7353 3745. www.drjohnsonshouse.org. 500m nw von U Blackfriars. Mo-Sa 11-17.30h (Okt-Apr -17h). Eintritt 6/4,50 €, Kind (5-14) 1,50 €, Familie 14 €. Führung tagsüber frei (min. 10 Personen), abends 6-12 €.

Welch ein Herumtreiber, der gute alte Doktor. Mochte London so sehr, dass er gleich 17 Mal umzog. Von all seinen „Residenzen“ blieb nur dieses liebevoll restaurierte Stadthaus (um 1700) erhalten, das der freche Aphorismenschmied Samuel Johnson 1748-59 bewohnte. Wenn er sich nicht ums Eck im Ye Olde Cock befand (und das tat er, so oft es dessen knappe Öffnungszeiten zuließen), feilte Johnson (1709-84) mit sechs Assistenten im Dachkämmerchen am ersten Dictionary of the English Language (1755). Ein Exemplar davon liegt aus, dazu gibt es Drucke, Porträts seiner Freunde, Mobiliar im Stil der Zeit – und eine knifflige Diebstahlsicherung an der Eingangstür.

Samuel Johnson: Wo bleibt das liebe Geld?

Englands letzter großer Vertreter des Klassizismus kam nur honoris causa (Oxford, 1756) zum Doktortitel, nach Veröffentlichung des Wörterbuchs. Das Studium in Oxford hatte der Sohn eines Buchhändlers 1731 noch aus Geldmangel abbrechen müssen. Erst die Heirat 1735 mit einer 20 Jahre älteren, wohlhabenden Witwe befreite Johnson von den gröbsten Sorgen. Doch als seine Mutter 1759 starb, sah er sich genötigt, den didaktischen Roman Rasselas zu verfassen, binnen einer Woche und kaum lesbar – aber die Begräbniskosten spielte er ein.

Fleet Street Verlängerung des Strand bis zum Ludgate.

Eine Straße als Attraktion? Eher als Mythos, denn wie kein zweite Straße der Welt (Ausnahme: Wall St) gilt die Fleet Street als Synonym für einen ganzen Berufszweig: die britische Presse.

Das hob an mit Wynkyn de Worde, der 1500 seine Caxton-Druckerei von Westminster in die Nähe von St Bride´s verlegte. Vier Jahrhunderte später begann Londons Regenbogenpresse von hier aus ihren von Tratsch, Halbwahrheiten und Unterstellungen gepflasterten Siegeszug. Sobald die übrige City gegen 17h ruhig wurde, ging der berüchtigte Betrieb in der Fleet St los. Bis tief in die Nacht entfalteten sich fieberhafte Aktivitäten im Lärm von Rotationsmaschinen, Lieferwagen und Arbeitergeschrei. Ein Drucker der Evening News erinnert sich:

Wenn der Druck anlief und die rasch steigende Auflage noch drastischere Anforderungen an die Rollen stellte, begann das ganze Gebäude zu beben und zu wackeln. Oft fielen Kakerlaken von der Decke in unsere Bücher, die wir mit unseren Federn aufspießten. Manchmal ergaben sich aber auch spannende Wettrennen mit dem Ungeziefer.

Well, den neuen Technologien, Immobilienpreisen und Rupert Murdoch sei´s gedankt – diese Zeiten sind vorbei. Seit den 1980ern haben sich fast alle Zeitungen nach Wapping oder Canary Wharf verdrückt. Doch Mythen scheren sich nicht um Realitäten. Also besieht man von außen (Besichtigung nicht möglich) die alten Pressetempel, etwa das Bouverie House (No 154, ex-Sun) oder den jugendgestilten Salisbury Court (129). Dessen Nachbarn Peterborough Court (135, ex-Daily Telegraph) im Roaring-Twenties-Glamourstil von 1928 haben längst Bankfilialen vereinnahmt. Am Punch House (121-28, ex-Daily Express) bewundert man edle Glasfassaden und die Art Deco-Freitreppe. Das Fähnchen der Meinungsfreiheit hält in der Fleet St nur noch Reuters (85) hoch. Die Agentur fing hier 1850 mit einem Korb voller Brieftauben an.

St Bride´s Bride Lane Gateway, off Fleet St, EC4, T. 7353 1301. 300m nördl. von U Blackfriars. Tgl. 8-16.45h. Eintritt frei.

St Bride´s gilt noch als Stammkirche der Journalisten und Drucker, auch wenn die sich längst verabschiedet haben. Zu Wrens erstaunlichsten Schöpfungen gehört der Turm, den er 1703 seinem perfekten Kirchlein (1671) hinzufügte. Es war bereits das achte Gotteshaus an dieser Stelle, und mit 69m das höchste nach St Paul´s. Seit dem Bombenhagel im Dez 1940 gibt es im holzgetäfelten, modernen Inneren wenig zu bewundern außer einigen römischen und sächsischen Funden (in der Krypta), die eben jener blitz freilegte. Doch es bleibt ja noch der Turm, der so sehr einer Hochzeitstorte ähnelt, dass keine Henne sagen könnte, was zuerst da war: die Torte oder der Turm.

Konzerte. Lunchtime music plätschert jeden Di/Fr 13.15h (außer Aug) durch St Bride´s, mit Kollekte.

Old Bailey Newgate St, Ecke Old Bailey, EC4, T. 7248 3277. 400m westl. von U St Paul´s. Mo-Fr 10.30-13h, 14-17h. Zutritt siehe unten.

Weil Central Criminal Court dem Volksmund zu ungemütlich klang, benannte er das Oberste Schwurgericht nach der Straßenecke, an der man hineingelangt. Old Bailey, vor dem nur Kapitalverbrechen verhandelt werden, ist ein Werk Edward Mountfords (1907). Davor stand hier seit 1160 der Knast von Newgate, dessen Gastlichkeit zeitweilig auch Daniel Defoe und Charles Dickens genießen durften. Sie kamen glimpflich davon, während hunderte anderer Delinquenten im Newgate Prison aufgeknüpft wurden, bis die Aufständischen es 1780 während der Gordon Riots in Schutt und Asche legten.

Der Zutritt zu Gerichtsverhandlungen ist ab 14 Jahren frei, sofern nicht alle Plätze der public gallery besetzt sind. Selten wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Große Fälle finden in Saal 1 bis 4 statt. Essen, Taschen, Telefone und Kameras sind nicht zugelassen, und es gibt keine Garderobe zur Aufbewahrung derselben.

Wieso trägt der Richter Blumen?

Es kommt nicht tgl. vor, aber wenn Sie einen Richter mit Blumenbouquet im Arm sehen, will er keinem Delinquenten den Prozess verschönern. Wieder geht´s um ein Ritual: Sträußchen sollten die üblen Düfte vertreiben, die oft aus dem Newgate Prison herüberwehten, zumal in Pestzeiten.