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Film

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Britische Filmproduktion

Kassenschlager mit Kritikerlob

Zwischen Stolz und Vorurteil

Wie in halb Europa stand die Filmindustrie auf der Insel 1980 vor dem künstlerischen und finanziellen Kollaps. Sollte man dem Fernsehen das Feld kampflos überlassen? Die Studiobosse entschieden sich für Groß-Investitionen – und der Kraftakt lohnte sich bald dreifach. 1985 wurde weltweit zum Jahr des britischen Films. An dieser Wende zum Guten waren Chariots of Fire (Stunde des Siegers), Passage to India, Gandhi und Killing Fields nicht schuldlos.

Ausgerechnet ein Regisseur irischer Abstammung verhalf dem britischen Film zu neuem Ansehen. Ken Loach räumte mit Hidden Agenda, Ladybird Ladybird, Riff-Raff, Raining Stones oder Land and Freedom auf fast allen Festspielen was ab.

Größter Erfolgsfaktor aber wurde die Zusammenarbeit mit dem Erzfeind. Seit 1982 investierte der unabhängige Channel 4 jährlich über 150 Millionen €, um ambitionierte Filme fürs Fernsehen zu machen, die vielleicht auch eine Chance in den Kinos hätten. Das kleine Kinowunder kam tatsächlich zustande, mit hinreißenden Streifen wie Peter Greenaways Draughtman´s Contract (Kontrakt des Zeichners), Angel von Neil Jordan und der Forster-Adaption Room with a View.

In den 1990ern purzelt dann ein mittlerer Kassenschlager nach dem anderen aus britischen Studios; die meisten heimsen sogar bei Kritikern überschwengliches Lob ein. Die Bandbreite reicht von Stephen Frears Schwulen-Komödie My Beautiful Launderette (Buch: Hanif Kureishi) zu Danny Boyles temporeichem Fixer-Opus Trainspotting (1996, Buch: Irvine Welsh). Mit Four Weddings and a Funeral (1997), der weltweit über 250 Millionen € einspielt, beginnt der Siegeszug des Hugh Grant. Für The Full Monty (1998) machen sich arbeitslose Männer nackich, East is East (2000) entlockt selbst dem Thema Immigranten rührend-lustige Szenen, Bridget Jones (2001) isst Schokolade schon zum Frühstück und sieht darum so süß aus, dass es zu mehreren sequels reicht.

Wo alles lacht, können die Anarchos des Film-Kollektivs Monty Python nicht untätig bleiben: John Cleese dusselt sich durch den Alltag eines Hotelportiers in Fawlty Towers, Terry Gilliam dreht mit Brazil (1995) den Magenbitter zum biologischen Overkill, und wie viel Sprachwitz und Sex-Appeal in Gaunerkomödien stecken können, zeigen sie gemeinsam in Fish Called Wanda (1997).

Dass GB seit 1990 auch zur Drehscheibe ausländischer Produzenten wurde, hat drei Ursachen. Aus Kostengründen geht eine Reihe großer US-Firmen dazu über, in den Pinewood Studios (Buckinghamshire) oder Shepperton Studios (SW-London) zu drehen; die Ersparnis gegenüber Hollywood ist eklatant. Zudem genießen britische Kulissenbauer und Techniker ausgezeichneten Leumund, und George Lucas vertont all seine Star Wars-Episoden in den Abbey Road Studios, auch wegen des London Symphony Orchestra und seines genialen Stabmannes John Williams.

Aber auch die anhaltende Nachfrage nach historischen Dramen vor authentischer Kulisse spricht für Merry Old England. Braucht jemand ein Märchenschloss mit Autobahnanschluss, 5 km vom nächsten Flughafen? Here we are. Solche Einflüsse gehen nicht spurlos an den Filmemachern der Insel vorbei. Laut dem Fachblatt Screen Science klingeln 2001 über 120 Millionen € in britischen Kinokassen, ein Drittel entfällt auf heimische Produktionen.

Unerwartet kommt also 2002 die Hiobsbotschaft: Nach drei Produktionen, die nicht ihre Kosten einspielen, streicht Channel 4 der Tochter FilmFour (jährlich drei bis fünf Filme) 60% des Etats und die Unabhängigkeit gleich dazu. Dabei war gerade FilmFour die Experimentierstube, der viele der genannten Titel entsprangen. „Versuche, mit britischen Filmen reich zu werden, haben immer im Schlamassel geendet“, seufzt Stephen Frears, mit dessen Walter sich Channel 4 1982 erstmals ins Kino gewagt hatte. Mal sehen, aus welcher Stube der nächste erfolgreiche und gute britische Film kommt.