Windsor: Die Protagonisten

Schon 1882 warnte der Essayist Walter Bagehot: „Das Geheimnis der Monarchie ist ihr Daseinsgrund. Lasst kein Licht diesen Zauber zerstören.“ Inzwischen geht es eher um Royals im Rolls. Das Vermögen der königlichen Familie ist märchenhaft, hinzu kommen Spesen von jährlich 2,6 Millionen €, und im Buckinghampalast sind auf Steuerzahlers Kosten 350 Menschen vollzeitbeschäftigt. Aber ob es sich nun um die TV-Hochzeit von Charles & Diana oder von Andrew & Sarah Ferguson handelt: Lieben Engländer denn nicht den Prunk des Royal Business, wie Georg VI. zu sagen pflegte?

Viele lieben ihn, doch bei den Untertanen von morgen geht rasant der Zauber verloren, wozu die Skandale seit 1992 kräftig beitragen.

1992: Annus Horribilis

Oft wird der Stoßseufzer der Queen vom annus horribilis zitiert. Falls eines Tages die Monarchie abgeschafft wird, wäre dies eine Großmarke auf dem steinigen Weg. Und das Königshaus hätte den Hauptanteil daran: Durch hormonelle Umtriebe seiner Mitglieder fällt es 1992 auf den Tiefpunkt seines Ansehens.

Prinz Charles intensiviert die nie erloschene Beziehung zu Camilla Parker Bowles. Diana bezeichnet die mittlerweile geschiedene Jugendfreundin ihres Noch-Gatten als „Rottweiler“, und dieser Terminus gibt auch präzise die Haltung der britischen Presse zu Camilla wieder. Nach Intermezzi hält sich Diana indes 1992 u.a. an Will Carling, Rugbyspieler, und Christopher Whalley, Immobilienmakler, schadlos. Abgehörte Telefonate, u.a. Charles´ „Tamponwunsch“ an Camilla, und diverse Bücher von ghostwritern und Ex-Geliebten wirbeln viel Staub auf.

Die Regenbogenpresse kommt mit „Enthüllungen“ kaum hinterher, denn das Spiel ist stets dasselbe: Junge Mitglieder des Königshauses treiben sich durch Nachtbars, wo Journalisten ihre einfältigen Äußerungen notieren und als „gewöhnliche“ Geschichten in die Presse bringen. Und wenn es mal keine Royal News gibt, empören sich dieselben Blätter über die Herabwürdigung der Monarchie.

Nachdem Prinzessin Anne (1950-) und ihr kantiger Wurstfabrikant Mark Phillips die Scheidung verkündet haben, ehelicht sie im Aug „Tiger Tim“ nahe Schloss Balmoral. Annes Trauung muss in einer schottischen Kirche erfolgen, da die Anglikanische Kirche (Oberhaupt: ihre Mutter) keine Scheidung und folglich keine zweite Heirat duldet. „Hochzeit in der Besenkammer“, witzelt eine Zeitung, da der Empfang im engsten Kreis in der Personalkantine stattfindet; später erleben Britanniens Besenkammern anderes Gekuschel.

Anne: Was macht die Prinzessin vor Gericht?

Am 21. Nov 2002 wird erstmals seit 1649 ein Mitglied des Königshauses verurteilt. Damals war´s Karls Kopf, diesmal reichen 500 £ Geldstrafe, nachdem sich Prinzessin Anne vor einem Gericht bei Windsor (in dem sich ansonsten Einbrecher und Drogendealer die Klinke in die Hand drücken) schuldig bekannt hat: Ja, ihr Bullterrier Dotty habe am 1. April im Dorfpark von Windsor zwei Kinder angegriffen. Die beiden Jungen, 7 und 12, waren vom „lieben, verspielten Dotty“ (Hundepsychologe Roger Mugford) vom Fahrrad gerissen und in Bein bzw. Schulter gebissen worden. Künftig muss Dotty immer an die Leine ? ein neues Kapitel in der Komödie „Die Royals und ihre Hunde“. Allein die Corgis der Queen zogen schon Lakaien, Butler, Leibwächter und Briefträger aus dem Verkehr, bissen Frauchen in die Hand und machten 1994 auf Heathrow einen Deutschen Schäferhund zum Invaliden. Liegt´s an der Erziehung? Zum Schutz gegen scharfe Kiesel tragen sie Gummischuhe, und ihre Mahlzeiten, zubereitet vom Hofkoch, kommen auf einem Silbertablett daher. Das bewahrt einen von Queen´s Corgis aber nicht davor, im Dez 2003 von Annes Bullterrier Florence totgebissen zu werden. Nachdem ihr Schmerz abgeklungen ist, spricht die Queen als Kennerin: „Sowas passiert bei Hunden eben.“

Im Nov fallen neun Staatsgemächer auf Schloss Windsor einem Brand zum Opfer. Die Ankündigung, der Steuerzahler werde die Instandsetzung tragen, löst einen Sturm der Entrüstung aus, mit der Folge, dass die Königin erstmals Steuern entrichten und Apanagen für entfernte Familienzweige selbst tragen muss. Oh du verkehrte Welt!