Per Anhalter
Per Anhalter (Hitch-hiking)
Nicht leicht, vielerorts überhaupt nicht mehr praktiziert. Am beschwerlichsten wird es wohl in den Südstaaten (the âDeep Southâ), da die Leute dort eine eingefleischte Abneigung gegen alles hegen, was nach lockerem Lotterleben aussieht. Ist es doch tatsächlich vorgekommen - ob unserer Lockenschöpfe oder weiß der Teufel was - dass man uns an einer Tankstelle wortlos das Trinkwasser abdrehte. Hah!
Der Herr und unser Vorrat an Proviant und Wasser haben uns gerettet.
Schade, denn Trampen ist eigentlich die beste Methode zum Kennenlernen der Eingeborenen ... Dabei stößt man vielleicht auf irgendwelche spleenigen Typen, etwa Künstler oder missionierende Prediger, ganz sicher aber auf Leute, die einfach nett sind und mit denen man reden kann.
In den meisten Staaten ist das Anhalten erlaubt, aber nicht in allen. In Washington (D.C.), in Carolina und in Virginia riskiert man allen Ernstes, in den Knast zu wandern, was Freunden von uns tatsächlich schon passiert ist.
Übrigens raten wir auch alleinreisenden Frauen dringend vom Trampen ab, es sei denn wir kommen grad des Weges!
Leichter hat´s möglicherweise, wer sich ein Schild mit der Aufschrift âGermanâ, âAustrianâ oder âSwissâ vor den Bauch hält, wobei im Falle einer Polizeikontrolle auf jeden Fall mit mildernden Umständen zu rechnen ist. Auch das gewünschte Fahrtziel sollte man dazuschreiben. Das erweckt einen seriöseren Eindruck. Abgesehen davon könnte das Schild ja auch einen Autofahrer, der sonst nie Anhalter mitnimmt, dazu bewegen, zu bremsen, weil er vielleicht selbst vor kurzem in München oder in Wien war und gern Erinnerungen austauschen will. Wer weiß? Auf die Frage, warum man per Anhalter fährt, vorgeben dies zu tun, weil es Spaß mache, und um Amerikaner kennenzulernen. Keinesfalls finanzielle Gründe erwähnen, da das ungern gehört wird.
Will man eine längere Strecke zurücklegen, gebe man doch eine Anzeige in einem der Szeneblätter vom Typ Village Voice in New York oder Berkeley Barb in San Francisco auf. Es macht sich gut, auch die Nationalität anzugeben.
Beim Überqueren der Grenze nach Kanada behalte man lieber für sich, als Anhalter unterwegs zu sein. Sonst kann es vorkommen, dass man zurückgeschickt wird.
In den Studentenheimen, YMCAs u.ä. hängt fast immer ein Schwarzes Brett, das Mitfahrgesuchen, âRides with sharing expensesâ (MFG mit Benzinkostenbeteiligung), vorbehalten ist. Manchmal wird auch verlangt, dass man sich beim Fahren ablöst, und manchmal will jemand einfach Gesellschaft haben, ohne Kostenbeteiligung ... sehr suspekt, hütet Euch, Mädels! Selten bietet sich eine Mitfahrgelegenheit in einen anderen Staat, es sei denn, man versucht es an den großen Universitäten (Harvard, Columbia). Um weniger bekannte Unis ausfindig zu machen, sollte man sich eine Landkarte aus der Reihe âBuckle-up USAâ besorgen, in denen sie rot eingezeichnet sind. Amerikanische Studenten dürfen übrigens nur vier Nächte hintereinander Gäste in ihren Wohnheimzimmern beherbergen. Auch die Goethe-Institute erweisen sich mit ihrem Schwarzen Brettern als nützliche Anlaufstellen.
Landkarten ...
Die USA sind von einem dichten Autobahnnetz überzogen. Deshalb braucht auch niemand Karten. Wer welche hat, kann sie nicht lesen. Es ist völlig zwecklos, einem Amerikaner eine Straßenkarte vorzuhalten mit der Frage: Wie komme ich, bitteschöne, von hier nach dort? Der Amerikaner wird sich hilfsbereit über die Karte beugen, fragen, woher man kommt, bestätigen, wie schön Deutschland sei und nach fünf Minuten feststellen, dass er die Karte verkehrt herum hält. Es gibt eine âVorsicht-Kamera-Szeneâ, wo Amis sich brav abmühten, den Weg zu erklären, bloß: es handelte sich um einem Schnittmusterplan, was im Grunde einerlei ist, da viele US-Straßenkarten weder einen Maßstab haben, noch Hinweise auf Details wie Bergzüge, Flüsse, Nebenstraßen. Amerikaner kennen entweder den Weg, weil sie ihn immer fahren oder es ist ihnen egal, wie oder wo sie ankommen.
Warum auch nicht? Eine Abfahrt sieht aus wie die andere. Tankstellen und Hotels sind jenseits von Manhattan, San Francisco und dem Beltway überall die gleichen. Nach dem Anschlag von Oklahoma nahm das FBI zwei Verdächtige zeitweilig fest, die seit Monaten mit ihrem Auto von einem Ort zum andern zogen. Offenbar ziellos. Ihr Pech war, dass sich ihr Weg mehrfach mit dem des Bombenlegers Tim McVeigh gekreuzt hatte. Die zwei waren offenbar ganz harmlos. Jetzt fahren sie wieder.
Es ist äußerst ratsam, etwas Verpflegung und vor allem Wasser mit sich zu führen, denn man kurvt schon mal längere Zeit durch bannig verlassene Gegenden. Bekanntlich bestehen die USA streckenweise aus Wüste, in erster Linie in New Mexico, Arizona und Nevada.
LKW-Fahrer nehmen aus Versicherungsgründen nur selten Anhalter mit. Besser einen Bogen um die âTruckstopsâ (Raststätten für Lastkraftwagen) schlagen, denn dort wimmelt es von Schildern: Trampen verboten. Dies gilt auch für die Ausfahrten.
In einigen größeren Städten, vor allem an der Westküste, hat sich mittlerweile die Anhalterei innerhalb der Stadt eingebürgert. Ist das Ziel einigermaßen klar, so scheue man sich nicht, auch an der Bushaltestelle den Daumen rauszuhalten. Per Auto geht´s natürlich um einiges fixer. Zu Hause erwähnen wir das natürlich nicht ...
Wirklich schwierig wird die Anhalterei übrigens nur in den Nationalparks, denn die sind beliebte Ausflugsziele für die ganze Familie. Anhalter haben da keinen Platz.
Trampen auf der Autobahn ist verboten, auf dem Zubringer aber durchaus möglich. Wer unangenehmerweise von einer Polizeistreife überrascht werden sollte, versteht klugerweise keinen Brocken Englisch. Als Ausländer genießt man immer noch etwas Narrenfreiheit. Vielleicht hat man sogar das Glück, vom Cop bis zum nächsten Ort kutschiert zu werden. So ein Polizeiwagen ist verdammt komfortabel; wissen wir aus eigener Erfahrung. Allerdings kann es auch mal vorkommen, dass man an ziemlich fiese Gesellen gerät. Fordert ein einzelner Cop uns auf, nicht mehr zu trampen, dann ist es ratsam, dem Folge zu leisten. Andernfalls wird er Verstärkung holen, und dann sitzt man ganz schön in der Tinte.
Aber was hindert uns eigentlich, einen Polizisten, der einem das Trampen an einer bestimmten Stelle untersagt, dreist zu fragen, wo man denn sonst ... Man kann auch nebenbei einfließen lassen, wo man genau hinwill, alles in jämmerlichem Englisch, versteht sich, so wie wir´s halt auf der Schule gelernt haben. In der Regel wird der Mann dann ziemlich schnell genervt sein und den Quälgeist an der Grenze seines Patrouillenbereichs absetzen, nur um einen vom Hals zu haben. Anhaltern bietet das den Vorteil, sich sozusagen im Niemandsland zwischen zwei Patrouillengebieten zu befinden, wo das Wagnis, einem anderen Cop zu begegnen, erheblich geringer ist.