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Atlanta

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Atlanta (Vorwahl: 404)

Etliche unter uns werden mit Atlanta den alten traditionsbewußten amerikanischen Süden assoziieren, so wie von Margaret Mitchel in »Vom Winde verweht« beschrieben: ein romantischer, unbeschwerter Süden, dessen Lebensrhythmus sich nach der Baumwollernte richtet, mit einer Menge Kolonialhäuser, die widerhallen vom Gelächter der jungen Leute und der Mädchen in Reifröcken. Eben diese vermeintlich heile Welt, die viel lieber Feste feierte, als sich mit dem Elend der Schwarzen auseinanderzusetzen.

Der Eindruck, den der Besucher bei der Ankunft in Atlanta gewinnt, ist jedoch zunächst ein anderer. Er trifft eine moderne Metropole an, deren Innenstadt eine Reihe Wolkenkratzer von erstaunlich harmonischer Architektur prägen, die sich inmitten riesiger Baustellen erheben. Atlanta expandiert nämlich ungemein. Als Drehscheibe für Delta Airlines verfügt Atlanta über den größten Flughafen der Welt. Die Stadt spielte schon von jeher eine herausragende Rolle als Knotenpunkt für Handelsverbindungen und als strategischer Stützpunkt. Sherman, ein General der Nordarmee während des Sezessionskrieges, hatte das wohl begriffen, als er Atlanta anzündete, um es dem Erdboden gleichzumachen. Von den viertausend Gebäuden Atlantas überstanden nur vierhundert die Feuersbrunst. Folgenden Witz erzählte man sich zu jener Zeit: »Wissen Sie, warum Sherman Savannah nicht angezündet hat? ... Er konnte seine Streichhölzer nicht wiederfinden!« Viele der »alten« Gebäude stammen also eher vom Ende des letzten Jahrhunderts.

Der Gesamteindruck ist der einer eher kalten Geschäftsstadt. Wenige heimelige Eckchen. Die Innenstadt hatte soweit an jeglichem Reiz und an Individualität verloren, dass man einen unterirdisches Touristen- und Einkaufszentrum entwarf, das Underground Atlanta. Es kommen allerdings nur wenige Touristen hierher. Atlanta ist in erster Linie eine Kongreßstadt. Hier treffen sie sich alle: Friseure, Ärzte, Homosexuelle. Das erklärt auch, warum es hier von Hotels wimmelt und so hohe Preise verlangt werden.

Die Stadt trat mit dem Versprechen der kurzen Wege an, aber aufgrund finanzieller Schwierigkeiten ist das Gesamtprojekt Olympia Park geplatzt. Im 24 km vom Stadtion entfernten Stone Mountain blockierte die private Betreibergesellschaft durch überzogene Millionenforderungen die Austragung von fünf der acht Sportarten. Ruderer, Kanuten, Reiter und Sportschützen werden 60-70 km lange Wege zurückzulegen haben.

Ansonsten waren die Spiele kein Gewinn für die Stadt, die viertärmste der USA. Die Arbeitslosigkeit liegt stabil bei 9%. Arbeiter für die Bauvorhaben kommen eher aus dem Umland, und im Armenviertel Summerhill haben nur die Dealer Geld. In der City existieren über 27 % der Bürger unterhalb der Armutsgrenze. Gemessen an der Einwohnerzahl geschehen doppelt soviel Morde wie in Los Angeles und zweieinhalbmal so viel Raubüberfälle wie in New York.

Es existieren jedoch außerhalb der City noch Viertel, die an die Vergangenheit erinnern. Im Farbigenviertel rund um die Audburn Avenue, inzwischen unter Denkmalschutz, erheben sich schöne und schlichte Bauten. Und im Norden, im Viertel um West Paces Ferry, verbergen sich stattliche Gebäude. Sie liegen versteckt im Wald und erinnern an einen reichen, unbeschwerten Süden.

Vergessen wir nicht, dass die Hälfte der Bevölkerung Atlantas aus Farbigen besteht, dass sowohl Martin Luther King hier das Tageslicht erblickte als auch ein berühmtes Getränk: Coca Cola. Auf die Verantwortlichen für diese braune Brühe wurde allerdings noch nie ein Attentat verübt. Übrigens, wer´s nicht schon im allgemeinen Teil entdeckt hat: ein Liter dieses Saftes enthält eine Menge Zucker, die denen von 36 Würfelzuckerstücken entspricht.