Plätze und Paläste
Piazza della Signoria, Palazzo Vecchio und die Orsanmichele
Paläste, Museen und Plätze
Warum nur, warum ist unsere Hütte so bescheiden?
Piazza della Signoria : hier schlug einst das Herz von Florenz. Alle Fäden der Stadtgeschichte laufen an diesem Platz zusammen. Er war Versammlungsort für das Volk, Mittelpunkt der Revolutionen, der Rahmen seiner Leidensgeschichte und Schauplatz prächtiger Feste. Auf der einen Seite wird er vom Palazzo Vecchio beherrscht, auf der anderen von der Loggia della Signoria. Mehrere kunstgeschichtlich bedeutsame Statuen machen aus dieser Loggia ein echtes Freilichtmuseum, u.a. »Perseus« von Benvenuto Cellini und der »Raub der Sabinerinnen« von Giambologna. Bemerkenswert auch der Brunnen von Ammannati mit dem beleibten Neptun aus Marmor und den anmutigen, nackten Bronzefiguren. Schon zögerten die Künstler nicht mehr, das Hohelied des menschlichen Körpers zu singen, aber die Werke waren nur für einige Privilegierte bestimmt. Hier wagt sich die Nacktheit erstmals auf die Straße. Nebenbei bemerkt: wenn uns das Ganze auch recht harmonisch erscheint, so galt die Neptun-Statue damals doch als bestenfalls mittelmäßiges Oeuvre. Michelangelo soll jedesmal, wenn er hier vorüberkam, geseufzt haben: »Welch Verschwendung schönen Marmors!«.
Abends, wenn geselliges Stimmengewirr die Luft erfüllt und die Lichter auf den gelben Steinmauern spielen, ist der Platz besonders stimmungsvoll.
Mit der Beschaulichkeit ist es in letzter Zeit allerdings nicht besonders weit her: zum einen führen in der Loggia della Signoria die Handwerker und Restaurateure das Regiment, und dann wurden anläßlich von Ausbesserungsarbeiten unter dem Pflaster der Piazza auch noch höchst interessante Grundmauern von Häusern und Türmen der Ghibellinen entdeckt (die Anhänger der Kaiser in Italien hießen nach der schwäbischen Stadt Waiblingen!), von denen nach dem Sieg der Guelfen (Anhänger des Papstes und der Städtefreiheit) im 13. Jh. nurmehr die Grundmauern übrigblieben. Die Archäologen brauchten nicht tief zu scharren, da stießen sie unter den ghibellinischen Fundamenten auch schon auf römische Überreste und, eine Etage tiefer, auf bedeutende Spuren der etruskischen Zivilisation. Fast wären sie in der Bronzezeit angekommen (kein Witz!). Archäologen und Historiker waren nicht mehr zu bremsen und entschieden, alle Funde ans Tageslicht zu befördern. Mit der Folge, dass auf der Piazza lange ein geregeltes Durcheinander herrschte. Anerkennenswert war immerhin das Feingefühl der Behörden, mittels einer Tafel Bürger und Besucher von der Notwendigkeit der Buddelei überzeugen zu wollen.
Nach der Neubepflasterung 1992 brach der Streit unter den eitlen florentiner Bürgern aber erst so richtig los: die maschinengeschnittenen Sandsteinplatten wirkten eher wie ein Parkplatzbelag und verunstalteten in ihren Augen Florenz´ gute Stube. Sogar der Riese Herkules am Eingang des Palazzo Vecchio soll grimmig dreingeschaut haben. Dabei hatte man die alten, noch brauchbaren Platten numeriert und in einem städtischen Depot gelagert ... im Freien allerdings und unbewacht. Das Unheil nahm seinen Lauf: Regen spülte die Nummern weg und die meisten der historischen Sandsteinplatten wurden stiebitzt. Daraufhin wurde eilig minderwertiger Ersatz herbeigeschafft und es enststand ein dilettantischer Flickenteppich. Neun hohe Beamte mußten sich sogar vor Gericht verantworten, wegen »Beschädigung eines denkmalschutzwürdigen Kulturgutes«. Als Ende vom Lied begaben sich zehn Steinmetze daran, die neuen Steinplatten auf alt zu trimmen. Das Ergebnis mag jeder selbst beurteilen.
Palazzo Vecchio und Museum : T. 276 84 65. Einlaß von 9-19h; sonntags 8-13h und samstags überhaupt nicht. Eine teure Angelegenheit.
Die Kreuzung zwischen Palast und Festung aus dem 13 Jh. diente der Stadtrepublik als Regierungssitz, bevor die Medici hier einzogen. Als die dann im 16. Jh. in den Palazzo Pitti umzogen, verpaßte man ihrem vorherigen Wohnsitz den Beinamen »vecchio«, also »alt«. Ein kurze Zeitspanne hindurch war der »Alte Palast« auch Sitz der Abgeordnetenkammer während des italienischen Einigungsprozesses (1865-1871) - es muß ja nicht immer ein Wasserwerk sein! Im Inneren des Palastes ein schmucker arkadengesäumter Hof mit reichem Stuck und natürlich einem Brunnen, den der geflügelte, kleine Genius von Verrocchio ziert.
Beginnen wir unseren Rundgang in der weitläufigen Sala del Cinquecento, deren bemalte Kassettendecke schon etwas Besonderes darstellt. Fresken an den Wänden - ausgeführt von Vasari - berichten aus der Stadtgeschichte und Statuen berichten von den undankbaren Jobs des Herkules. Für die »Siegesgöttin« ist übrigens Michelangelo verantwortlich. Wie schwungvoll sich die Hauptperson bewegt tröstlich, dass der »Genius« über die rohe Gewalt siegt.
Anschließend eine Abfolge von Sälen und Gemächern mit reich geschmückten Decken und einer nicht enden wollenden Zahl von Kunstwerken (Säle oder Flure, die Entscheidung fällt nicht leicht!): polychrome Holzskulpturen religiöse Malerei des Mittelalters, darunter die »Madonna dell´Umiltà« von Rossello di Jacopo Franchi; kleine Skulpturen von Andrea della Robbia; eine bezaubernde »Madonna e bambino« von Masaccio und die »Geburt Christi« von Antoniazzo Romano (15. Jh.). Außerdem »Leda mit dem Schwan« von Tintoretto, »Judith und Holofernes« von Rubens und ein besonders feinfühliges »Porträt eines Unbekannten« von Hans Memling.
Die Eleonorenkappelle schmücken Fresken von Bronzino. Bemalte und vergoldete Decken feiern fröhliche Urständ, namentlich im Saal mit dem Schriftzug »Florentina« an der Wand.
Gemälde und falsches Mosaik schließlich in der Priorenkapelle, wo der fanatische Dominikanermönch Savonarola 1498 seine letzte Nacht zubrachte, bevor er auf der Piazza della Signoria als Häretiker den Flammen überantwortet wurde. So kann´s enden, wenn man sich mit dem Papst anlegt und gegen die laxen Sitten und Entartungen in der Kurie antritt ...
Sala dell´Udienza (Audienzsaal): hier empfingen die Prioren Bürger aus der Stadt, übrigens unter einer entsetzlich überladenen Decke. Die in alter Farbenfrische leuchtenden Fresken dagegen gefallen uns, besonders das »Wiegen der Kriegsschätze«.
Zum Liliensaal führt eine dekorativ behauene Marmortür dahinter seit 1988 wieder eines der berühmtesten Kunstwerke in Florenz: die Bronzeskulpturen »Judith und Holofernes« von Donatello. Zwischen 1494 und 1980 thronte sie vor dem Palazzo Vecchio und mußte dann restauriert werden. Der Zahn der Zeit hatte arg an ihr genagt.
Orsanmichele: Via de´Calzaiuoli , Via Tavolini gegenüber. T. 28 47 15. Einlaß von 9-12 und 15-18.30h.
Sich dieses sehenswerte Heiligtum in einer der elegantesten Geschäftsstraßen von Florenz nicht entgehen lassen. Der usprüngliche Kornspeicher aus dem 13. Jh. sollte die Stadt im Kriegs- oder Belagerungsfalle unverwundbarer machen. Geschmückt war er mit einer Gottesmutter, die sich einer solchen Verehrung unter den Gläubigen erfreute, dass man den Speicher gegen Ende des 14. Jhs kurzerhand zur Kirche umgestaltete, was auch die ungewöhnlichen Abmessungen des Gebäudes erklärt. Rundherum trieb man Nischen in die Mauern vor, welche Heiligenfiguren von den berühmtesten Bildhauern der damaligen Zeit aufnehmen sollten. Via de´Calzaiuoli, »Johannes der Täufer« von Ghiberti (auch für das Baptisterium verantwortlich), sodann der »Hl. Thomas«, Schutzpatron des Handelsgerichts (von Verrocchio) und der »Hl. Lukas«, Schutzpatron der Richter (von Giambologna). Via Orsanmichele, der »Hl. Petrus« von Donatello, der im Himmel die Belange der Metzger vertritt.
In der Via dell´Arte della Lana u.a. eine Marmordarstellung des mühevollen Tagwerks der Hufschmiede von Nanni di Banco.
Im Inneren ein einzigartiges Werk von Andrea Orcagna: ein Ziborium-Retabel aus dem 14. Jh., in Marmor gehauen, mit goldenen Mosaiken und Emailletafeln besetzt. Die hübsche »Madonna« verdanken wir Bernardo Daddi - die paar Kröten für die Beleuchtung lohnen sich!