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Galleria degli Uffizi

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Mächtig viel Gemälde

Schrecklich viel Kunst

Galleria degli Uffizi (Uffizien): Piazzale degli Uffizi . T. 21 83 41. Eingang Nähe Piazza della Signoria. Dienstag bis Samstag von 9-13h (im Winter) bzw. bis 19h (ab April bis zum Ende des Sommers), an Sonn- und Feiertagen von 9-13h geöffnet; montags geschlossen. Seit dem verheerenden Anschlag vom 27. Mai 1993 - eine Autobombe vernichtete damals unschätzbare Meisterwerke - sind Teile des Museums vorübergehend geschlossen. Seien wir froh, wenn das Museum überhaupt wieder zugänglich ist. Die Explosion riß nämlich ein gähnendes Loch in die Fassade der Uffizien, so dass es bald zu einer Art Pilgerstätte wurde. Aus Solidarität ließen damals die Museen in Siena Besucher gratis ein, die sich in Unterschriftslisten gegen den Terror eintrugen. Die Betroffenheit in Italien war groß; die meisten Zeitungen werteten die Anschläge als gegen die Kräfte der Erneuerung gerichtet. Wer dahintersteckt, ist unschwer zu erraten ...

Es handelt sich um das bedeutendste Gemäldemuseum der Stadt und um eines der schönsten des Landes. Das wissen auch die anderen Florenzbesucher, weshalb wir uns zur Reisezeit bereits um 8.30h in die Schlange einreihen sollten; andernfalls man sich mindestens zwei Stunden lang die Beine in den Bauch steht. So haben wir wenigstens den Vorteil, als erste in den Räumen umherzuwandeln und mehr zu sehen als den Rücken des Vordermanns.

Die Medici residierten im Palazzo Pitti jenseits des Arno und gingen im Palazzo Vecchio ihren Geschäften nach. Deswegen bauten sie einen langen Korridor, der beide Stätten verband - unter Umgehung des übrigen städtischen Tumultes. Besagter Korridor ist weitgehend intakt geblieben, verläuft parallel zum Arno und überquert diesen auf der Ponte Vecchio. Um sich die tägliche Promenade zu versüßen, verfiel man auf die glänzende Idee, die Wände mit Gemälden zu pflastern: die Geburtsstunde der ersten Kunst»galerie« ... die wegen Personalmangels leider nicht zugänglich ist. Der von Vasari 1560 erbaute Palazzo war für die Beamten der Medici bestimmt, die ihre Verwaltung zentralisieren wollten.

Wir legen Wert darauf festzustellen, dass wir erst hier die italienische Malerei »entdeckt« haben. Die Bilder sind chronologisch geordnet, so dass sich die Entwicklung der Malerei mühelos verfolgen läßt, wenn man auf ein paar Besonderheiten achtet. So bedienten sich die Maler des Mittelalters Bildergeschichten, die religiöse Szenen erzählten, um das Volk in der Kirche über das Leben Christi und der Heiligen zu unterrichten. Damals waren halt nur wenig Leute des Lesens und Schreibens kundig. Walt Disney mit seinen Comic strips hat strenggenommen also nichts dazuerfunden! Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, hier eine Aufzählung der besten Stücke. Dass etliche Räume wegen chronischen Personalmangels nicht zugänglich sind, daran hat sich auch nach dem Brand 1993 nichts geändert. Sich also auf Enttäuschungen gefaßt machen.
Saal 2: in der Abteilung für mittelalterliche Malerei sind Duccios »Madonna« und Giottos »Madonna d´Ognisanti« zu erwähnen, die sich trotz Goldgrund mit den realistisch gezeichneten Gesichtern allmählich vom byzantinischen Ikonenstil loslöst. In den Sälen 3 und 4 nimmt die »Verkündigung« Simone Martinis einen besonderen Rang ein.
Saal 5 und 6: eindrucksvoll der Altaraufsatz, ein Werk von monumentaler Größe, von Lorenzo Monaco: »Die Krönung der Jungfrau Maria« faszinierend die »Anbetung der drei Weisen aus dem Morgenland« von Gentile da Fabriano. Die ausgewogene Verwendung der Goldgrundierung verleiht dem Ganzen den Charakter einer Miniatur.
Saal 7: später gibt man den Hintergrund aus Blattgold nach byzantinischem Vorbild wieder auf. Jetzt kommen hinter den Personen häufig minutiös gemalte Landschaften zum Vorschein. Eine Fülle von Details tummelt sich auf der Leinwand, insbesondere Szenen, die das Leben in den mittelalterlichen Städten schildern. Da lohnt es sich wirklich, ganz genau hinzuschauen. Die bombastische »Schlacht von San Romano«, die den Sieg von Florenz über Siena im Jahr 1432 beschreibt, stammt übrigens von Paolo Uccello und springt wegen ihrer Linienführung sofort ins Auge (falls das Gemälde inzwischen die Restauratorenwerkstatt wieder verlassen hat). Die beiden anderen Flügel des Triptychons befinden sich im Louvre und der Nationalgalerie in London. Eindrucksvolles Spiel der Farben und Perspektiven. Ausdrucksstark auch die »Heilige Anna« von Masolino und die »Muttergottes mit Kind« von Masaccio. Von Fra Angelico die Porträts »Federico de Montefeltros« und »Battista Sforzas«.
Saal 8 ist hauptsächlich Werken Filippo Lippis gewidmet, dem Lehrer Botticellis, dessen »Madonna, Kind mit zwei Engeln« und »Krönung Mariens« im wahrsten Sinne des Wortes strahlen.

In Saal 9 erwartet uns »La Forza«, das älteste bekannte Werk Botticellis.
Saal 10-14: vor allem Botticelli und seinen beiden Meisterwerken »Die Geburt der Venus« und »Der Frühling« gewidmet. Die »Geburt der Venus« versinnbildlicht die Geburt eines neuen Menschenbildes. Links säuselt Zephyr auf die Muschelschale, die eine zerbrechliche, fragile Venus trägt. Rechts wirft ihr der Frühling seinen Mantel über. Wir vermissen jede Tiefenschärfe, sind aber fasziniert vom lustvoll ausgepinselten Wogen der Draperie, der Mantelfalten und dem Flattern der goldgelben Haare. Im »Frühling« hält sich der Künstler an keinerlei reale Vorgaben mehr: wir befinden uns an der Schwelle zum Traum und zur Allegorie - Welten, die sehr viel später von den Surrealisten wiederentdeckt wurden und in der Vorliebe fürs Fantastische und Mysteriöse zu neuen Ehren gelangten. Auch auf der technischen Ebene ergeben sich Umwälzungen, stellt sich ein Hang zur Vervollkommnung ein. Wie elegant die Formen, der Faltenwurf der Gewänder welche Leichtigkeit und Anmut tritt uns im »Frühling« entgegen! Botticelli verfeinert hier auf der Suche nach der idealen Schönheit die Malweise seines Lehrers Lippi, insbesondere in Gestalt der Flora und der minutiös dargestellten Draperie der drei Grazien. Ganz zu schweigen von den übrigen Gemälden: der »Madonna del Magnificat«, »La Melagrana«, »La Calomnia« usf. Und dann Lippi und Domenico Ghirlandaio (»Maria auf dem Thron«, »Anbetung der drei Weisen«), von Luca Signorelli die »Kreuzigung« und eine »Dreifaltigkeit«. Das großflächige Triptychon von Hugo Van der Goes zählt zu dem meistkopierten Gemälden des 15. Jhs. Auch wenn keinerlei Perspektive zu erkennen ist, keine Proportionen stimmen, kann sich doch niemand seiner Ausdruckskraft entziehen. Mal auf die Gesichter des heiligen Josef auf der Linken und die drei Hirten achten.
Saal 15: hier nun endlich die »Anbetung der Weisen« von Leonardo da Vinci. Das Werk ist um so fesselnder als es unvollendet geblieben ist. Das gewährt Einblick in den Schaffensprozeß man schaut dem Maler gleichsam bei der Arbeit auf die Finger und erlebt, wie die Figuren und Körper zueinander in Beziehung treten. Ebenfalls auf das Konto da Vincis geht die »Mariä Verkündigung«. Kaum zu glauben, dass er es schon mit zwanzig Jahren auf die Leinwand zauberte. Bemerkenswert ist die geniale Lichtführung auf Gesichtern und Haar. Es heißt, sein Lehrer Andrea del Verrochio habe das Malen aufgegeben, als er das Talent seines Schülers erkannte. Es folgt Perugino mit einer »Pietà«.
Saal 18: auf der Empore - sie faßt höchstens dreißig Personen - Alessandro Allori, Vasari, Bronzino. Von Raffael: »Der Hl. Johannes in der Wüste«. Ein solcher Marmortisch mit Einlegearbeiten aus dem 17. Jh. könnte uns auch gefallen.
Saal 19: Signorelli - bzw. Perugino -Saal: von ersterem eine »Madonna mit Kind«, von Perugino das berühmte Werk »Francesco delle Opere« von gleichsam modernem Zuschnitt. Weiter Lorenzo Costa, Francesco Francia usw.
Saal 20: Dürer und die altdeutschen Maler im nächsten Saal erinnern daran, dass die Medici rege Handelsbeziehungen nach Holland und Deutschland unterhielten und diese auch zum kulturellen Austausch nutzten. Von Dürer das »Porträt des Vaters«, »Die Anbetung der drei Weisen« sowie »Adam und Eva«. Hans von Kulmbach (Prost eku!) veranschaulicht in seiner Bildgeschichte die »Geschichte des Hl. Petrus und des Hl. Paulus«. Der »Kreuzweg« wurde nach Art einer Buchillumination gemalt. Von Lucas Cranach: »Adam und Eva«, »Selbstporträt«, »Der Hl. Georg«, »Luther« usf.
Saal 21-24: wenden wir nun unsere Aufmerksamkeit dem außergewöhnlichen, in Schwarzweiß gehaltenen »Compianto di Cristo« Giovanni Bellinis und einer »Heiligen Allegorie« zu. Cima da Conegliano beweist, dass das Thema »Maria mit dem Kinde« noch lange nicht ausgereizt war.

Immer wieder sehenswert die flämischen Meister, im darauffolgenden Saal: »Mater Dolorosa«, die Schmerzensmutter von Joos van Cleve nebst kunstvoller Selbstporträts. »Sir Richard Southwell« von Hans Holbein, insbesondere aber die »Madonna auf dem Thron« von Hans Memling.

Die Porträts im Correggio-Saal werden Raffael zugerechnet. Auch Mantegna ist vertreten: sein Triptychon besitzt einen außergewöhnlichen Mittelteil, wo Engelchen die Gottesmutter umschweben.
Saal 25 und 26: die Gemälde von Michelangelo und Raffael versetzen uns mitten in die italienische Renaissance. Die Gesichter wirken weniger starr, die Damen riskieren sogar ein schüchternes Lächeln. Bleibt anzumerken, dass die meisten dieser Bilder in Kirchen hingen und folglich Ernst, ja Ehrfurcht ausstrahlen sollten. Mit seiner »Heiligen Familie« (Tonto Doni) erreicht Michelangelo ein Höchstmaß an Vollkommenheit. Verweilen wir etwas bei diesem Meisterwerk, das als einziges auf Holz gemalt wurde. Hier tauchen bereits die Farben der Sixtinischen Kapelle auf. Der Bildaufbau verrät Michelangelos Sinn für Komposition und Pathos. Er ist in mehrere hintereinanderliegende Ebenen gestaffelt, die sich um eine spiralförmige Bewegung gruppieren. Im Hintergrund erahnen wir verschwommen die nackten Leiber der Menschen aus der Zeit der Ursünde. Es folgen mehrere Raffaels: u.a. »Selbstporträt«, »Francesca Mario della Rovere«, die »Madonna del Cardellino« (mit Distelfink), »Leo X.«, »Julius II«. Im Porträt Leos X. fällt die vom Rand des Tisches und dem Arm des Papstes gebildete Diagonale auf, die dem Bild eine ausgesprochen moderne Dynamik verleiht.

Ein wahres Wunderwerk ist auch Andrea del Sartos »Madonna mit Harpyien« (Unheilsdämonen, in der griechischen Sagenwelt meist mit Flügeln und Vogelkrallen dargestellt), von dem es heißt, er habe sich nie geirrt. Tatsächlich muß man ihm trotz seines Manierismus zugestehen, dass er was von Bildaufbau verstand. Das verschlungene Spiel der Kurven harmoniert mit dem der Farben. Das knallige Gelb und Rot des Mantels der Muttergottes und des heiligen Johannes bilden einen schneidenden Gegensatz zur sonstigen Nüchternheit der Darstellung.
Saal 27: Portraits von Pontormo und die »Kreuzabnahme« von Bronzino.

Dann in Saal 28 die berühmte »Venus von Urbino« von der Hand Tizians: die Frau ist schön, und es ist keine Sünde mehr, sie nackt zu malen. Die Daumenschrauben der Kirche beginnen sich zu lockern. Der »Uomo malato« (kranke Mann) lädt hingegen eher zu Meditationen über Tod und Vergänglichkeit ein.
Saal 29: »Muttergottes, Jesuskind und Heilige« von Ludovico Mazzolino, des weiteren Niccolò Pisano und Niccolo dell´Abbate.
Saal 30: ein Meisterwerk des Manierismus ist Parmiggianos berühmte »Muttergottes mit dem langen Hals«, an der er sechs Jahre gemalt hat. Der sorgfältige Pinselstrich, die vornehm-künstliche Blässe der Haut, die komplizierte Frisur, Bildaufbau und elegante Posen und gelängte Umrisse erzeugen einen geradezu postmodernen Eindruck. Expressiv auch der »Bethlehemitische Kindermord« von Mazzolino und die »Anbetung der Hirten« von Francesco Salviati.
Saal 31: venezianische Werke aus dem 15. Jh., darunter der »Tod des Adonis« und die »Cosidetta Fornarina« von Sebastiano del Piombo. Anschließend geht es weiter mit Lorenzo Lotto.
Saal 33: einige Werke der französischen Schule, unter anderem »Franz I.« von Clouet, »Venus und Cupido« von A. Allori.
Saal 34: »Venus und Merkur«, die »Verkündigung«, die »Heilige Familie mit der heiligen Barbara« von Veronese. Auch an Giovani Battista Moroni nicht achtlos vorübergehen.
Saal 35, 41 und 42 bieten mit Tintoretto und Rubens; eine geballte Ladung Hochbarock.
Saal 43: Caravaggio; besticht mit einem grausigen »Medusenkopf«, weiter Gemälde von Carracci, »Porto con Villa Medici« von Claude Lorrain, eine »Verkündigung« von Simon Vouet.
Saal 44: wundervolle Selbstporträts Rembrandts in jugendlichem Alter und als Greis.