Susanna Agnellis Außenpolitik
Die Außenpolitik unter Susanna Agnelli
Neue kritische Töne aus Rom
Seit Susanna Agnelli Außenministerin im Kabinett Dini ist, versucht sie aktiv etwas an der bisherigen Schwäche ihres Landes zu ändern. Sie ist sich bewußt, dass eine italienische Außenpolitik erst erfunden werden muß und nutzt die Gelegenheiten, die sich bieten, um Position zu beziehen. Zum Beispiel, als sie am 14. Juli nicht zum Empfang der französischen Botschaft erschien, um die italienische Haltung zu Chiracs Atomwaffenversuchen zu unterstreichen.
Keine italienischen Ansprüchei in Ex-Jugoslawien
Ein positives Zeichen für Europa, das allerdings in der ausländischen Presse nicht sehr ausführlich behandelt wurde, ist ihr Einsatz für den EU-Beitritt Sloweniens, der nocheinmal unterstreicht, dass in Ex-Jugoslawien keine italienischen Ansprüche geltend gemacht werden sollen.
Nach Bosnien?
Bezüglich einer Beteiligung italienischer Soldaten an Einsätzen in Bosnien äußerte sich die Außenministerin im Juli sehr ablehnend, im Gegensatz zu Staatspräsident Scalfaro, und erntete damit Wohlwollen bei den linken Tageszeitungen, während die konservativen ihr passives und unverantwortliches Verhalten vorwarfen und sie mit den Kommunisten verglichen.
Als im bosnischen Krieg plötzlich die Serben zu Opfern wurden, da die Kroaten begannen, den Westen Bosniens zurückzuerobern, tadelte Agnelli Klaus Kinkel, weil sein Protest ihr nicht deutlich genug war. Selbst telephonierte sie mit der Regierung in Kroatien, um dieser mitzuteilen, dass ein Fortfahren der Agressionen für einen späteren Eintritt in die Europäische Union sehr hinderlich sei.
Rückkehr auf´s internationale Parkett?
Eine Ansammlung von Einzelaktionen macht natürlich noch keine Außenpolitik, doch wird die Außenministerin dazu schließlich nicht viel Zeit haben, da ihre Regierung eine Regierung auf Abruf ist. Erklärtes Ziel ist es aber, die internationale Bedeutung Italiens anzuheben. Ein Etappensieg ist immerhin die Aufnahme Italiens (sowie Spaniens und Kanadas) in die internationale Bosnien-Kontaktgruppe. Die immensen Kosten für die 19 Flugplätze, ebenso viele Flugzeuge und sechs Kriegsschiffe, also des Beitrages zu den VN- und NATO-Operationen in Bosnien, stehen nach Meinung der italienischen Regierung bisher in keinem Verhältnis zum politischen Mitspracherecht.
Der Vorschlag Agnellis für ein verengtes Rotationsprinzip, nach dem zukünftig nicht-ständige Mitglieder abwechselnd dem Sicherheitsrat der VN angehören sollen, scheint allerdings wenig Zukunft zu haben. Agnelli wendete sich damit gegen die eventuelle Aufnahme Japans und Deutschlands als ständige Mitglieder und erntete deshalb von beiden Ländern scharfe Kritik.
Deutsche Ungeschicklichkeit verprellt Italiener
Eine kurzzeitige Krisenstimmung in Italien und Deutschland löste die Aussage des Bundesfinanzministers Waigel, Italien werde aller Voraussicht nach 1999 nicht bei der Europäischen Währungsunion dabeisein, aus. Obwohl diese Annahme Tatsachen entspringt, die den Regierungen in Rom und in Bonn wohlbekannt sind, sorgte sie für Währungs- und diplomatische Turbulenzen. Der Lirakurs sank innerhalb eines Tages von 92 auf 88,9 Pfennige pro tausend Lire, italienische Politiker und zahlreiche Zeitungen schimpften auf die ausgrenzende Haltung der Deutschen, Regierungschef Dini forderte eine offizielle Entschuldigung. Bemerkenswert ist, dass die Reaktionen in keinem Verhältnis zu der Tatsache stehen, dass hier ein Allgemeinplatz benannt wurde. Die Kurzkrise kommt aber zustande, weil die Äußerung nicht diplomatisch gewählt war. Die Psychologie der internationalen Politik erlaubt es nicht, Wahrheiten auszusprechen, wenn sie die Eitelkeit eines Staates, eines Volkes kränken.
Wahr ist indessen, dass Italien die vier Konvergenzkriterien Kapitalmarktstabilität, Preisstabilität, Ausgabendisziplin und Schuldenbegrenzung für den Beitritt in drei Jahren nicht annähernd erfüllt. Die Staatsverschuldung beläuft sich gar auf 124,9 % des Bruttosozialprodukts und hält damit den europäischen Rekord. Für Theo Waigel ist es kein Trost, und für die Italiener keine Entschuldigung, dass die von allen gehörte Bemerkung garnicht einmal diplomatisch sein sollte, da sie in einer nichtöffentlichen Sitzung des Finanzausschusses geäußert worden war. Für die Veröffentlichung des Satzes verantwortlich war ein Mitarbeiter des Pressezentrums des Bundestages, von dessen Anwesenheit während der Sitzung Waigel nichts wußte.
Inzwischen hat Bundeskanzler Kohl im italienischen Fernsehen beschwichtigende Worte gesprochen, sich die Lira und Dini beruhigt. Die "Krise" ist damit offiziell beendet. Bleibt zu hoffen, dass der Vorfall der sachlichen Diskussion um die EWU in ganz Europa dienen möge, denn es sind bis jetzt nur Luxemburg und Deutschland, die die Kriterien knapp erfüllen. Was Italien betrifft, ist es durchaus möglich, dass der Fall auch die breite Masse aufmerksamer gemacht hat, denn das Bild der näheren politischen Zukunft wird in den Medien oft verschönt dargestellt.