Frommer Bilderhandel
Teuflische Ursprünge
Kreuzzug zur Reinigung
»Möge es dem frommen Bilderhandel, der mit der Bretagne verbunden ist auch mißfallen, aber es bestehen keinerlei Zweifel, dass der bretonische Volkskatholizismus von Elementen durchzogen ist, die dem theologischen Dogma recht fern sind. Besser oder schlimmer, wie man will man kann sich fragen, ob sein Einfluß auf die Seelen nicht immer proportional war zum Anteil des Heidentums, das die Priester in der Form von Weihzeremonien und Wallfahrten zu erhalten versuchten in der Absicht, die mit Namen der Orte verbundene Kraft zu beherrschen. Zumal man sich vor Augen führen muß, dass dieses Phänomen, um heutzutage überhaupt noch wahrnehmbar zu sein, früher um einiges auffälliger war. Sogar so dominant zu bestimmten Zeiten, dass es angeblich Vater Maunoir Ende des 17. Jahrhunderts vor Schrecken erstarren ließ, als dieser unnachgiebige Jesuit hinter den Truppen des Herzogs von Chaulnes, die den Aufstand der Rotmützen niedergeworfen hatten, die bretonischen Landstriche inspizierte. Angesichts so vieler heidnischer, als »christliche Rituale« verkleideter Praktiken erkannte Maunoir so sagt man sich die teuflischen Ursprünge des Bauernaufstands, und unternahm dann mit Hilfe von furchteinflößenden Mysterienspielen, die vor den Kirchen aufgeführt wurden, eine vollständige Wiederbekehrung der zum Missionsgebiet erklärten Bretagne.
Dieser Kreuzzug zur Reinigung des Volksglaubens, geführt unter dem Banner der Gegenreformation, soll ein wenig bekanntes, da nicht in die herkömmliche Bilderwelt von Epinal passendes Phänomen hervorgerufen haben, und zwar das Auftreten eines Massenantiklerikalismus in einem der bro (Länder) der Niederbretagne, und das in keinem geringen (denn es ist meiner!) als Le Trégor. Zwei Faktoren scheinen in dieser Rückentwicklung eine entscheidende Rolle gespielt zu haben: die besonders starke Verankerung der bretonischen Volkskultur in dieser Diözese und die hohe Anzahl der dort lebenden Adeligen, die im Schutze der Reformationsbewegung davon profitierten, ihre Töchter in den neuen Klöstern und ihre jüngeren Söhne im Priesterberuf unterbrachten. Von da an, erklärt der Historiker Georges Minois, »verliert die Religion ihren Volkscharakter und wird zunehmend im Stich gelassen. Im 18. Jahrhundert ist die Entwicklung recht eindeutig, denn der Besuch von Wallfahrten, Pilgerfahrten und Messen nimmt ab. Die Konflikte mit den Rektoren nehmen rapide zu. Die Revolution sollte das Problem deutlich zum Vorschein treten lassen: ein erheblicher Anteil von beeidigten Priestern und ein fast völliges Fehlen der Chouannerie waren ein Gradmesser für den Vertrauensverlust in Le Trégor hinsichtlich des Ancien Régime, und das 19. Jahrhundert verstärkte diese Tendenz noch [...]. Le Trégor wurde ein Zentrum des Antiklerikalismus; die Rekrutierung von Priestern brach zusammen, der Anteil an Priester in dero Bevölkerung fiel weit unter den bretonischen Durchschnitt, die staatliche Schule lief der religiösen Schule den Rang ab, und symbolisch nahm 1904 die Einweihung des Ernest-Renan-Denkmals, gegenüber der Kathedrale Saint-Yves, durch Emile Combes persönlich inmitten von Volksdemonstrationen den Anschein einer Herausforderung der Vernunft hinsichtlich des Glaubens an.«