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Ketzerische Subversion

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Radikalismus und vier Konzilien

Heilige in der Wüste

Man kann ermessen, als wie subversiv eine solche Doktrin, die von manchen Gelehrten in die Nähe von Rousseau, ja sogar von Sartre gerückt worden ist, gelten konnte. Zumal sich das Wesentliche ihrer Betrachtung eher auf das Alte Testament als auf die Evangelien bezog und demzufolge zu einer Wiederaufnahme des Dialogs mit dem Judentum führte, der von Paulus unterbrochen worden war. Hier wurde die ganze Rolle der Kirche in Frage gestellt, der einzigen Garantin des evangelischen Dogmas und des Weges zur Gnade, der durch das Opfer Christi verkörpert worden war; ganz zu schweigen vom Ärger, den ein solcher anarchistischer Radikalismus zweifelsohne hervorgerufen hätte. Deshalb wandte Augustinus sich gegen die pelagianistische Ketzerei, die von Cælestius und dem brillanten Bischof von Kampanien, Julius d´Eclane, wiederaufgenommen wurde, mit einer polemischen Energie, die noch heftiger war als diejenige, die er gegen den Manichäismus an den Tag gelegt hatte. Aber – Beweis für die theoretische und geistige Genialität seiner Gegner, die Augustinus anerkannte – es waren nicht weniger als vier Konzilien vonnöten (411, 416, 418 und das von Ephesus 431), sowie vier Verurteilungen, um Pelagius auszuschalten (der vermutlich gegen 422 in der ägyptischen Wüste verstarb) und das Christentum von seiner Doktrin zu reinigen, die gar zu menschlich und »naiv« war, einer Doktrin, in der das Heil für alle Gerechten bestimmt war, egal ob sie Christen waren oder nicht.

Den Pelagianismus auf die keltischen Ursprünge seines Verfechters zurückzuführen, wie es Emile Cioran in Geschichte und Utopie nahelegt (»Man weiß, dass Pelagius, ein Kelte, ein Naiver ...«, erscheint zumindest genauso begründet wie die Thesen, die seine orientalischen Quellen betonen. Und sei es nur, weil im Laufe der folgenden Jahrhunderte, während des langen Untergangs Roms, zerstört durch die Invasionen der »Barbaren« das Mönchstum im äußersten Westen (Bretagne und Irland) – außerhalb der Entwicklung, die zur selben Zeit das römische Christentum bewirkte – Riten und Traditionen lebendig erhielt, die denen nahe kamen, die in der Ostkirche bewahrt wurden. So legte beispielsweise der Kalender der religiösen Feste auch weiterhin den Sonntag der Auferstehung, d.h. das christliche Ostern, auf den gleichen Tag wie das jüdische Ostern; so war die halbmondförmige Tonsur der keltischen Mönche völlig anders als die kranzförmige der römischen Mönche; so bestand das Taufritual darin, den Täufling einmal statt dreimal einzutauchen, dafür aber ganz; so hatte, und das vor allem, das Mönchstum die Tendenz, die Institution der Diözese in den Hintergrund zu drängen ...