Machen wir ein Buch?

Reise, Sachbuch, Belletristik ...?
Alle interessanten Themen;
alles was bewegt.

Hier geht´s weiter!

Charakter

Body: 

Kühne Recken und Riesen in riesiger Zahl reiten kopfbehangene Rösser

Barden, Feuerwasser und goldbesetzte Unvernunft

Zwar beschrieb Cäsar im 6. Buch der Gallischen Kriege die Sitten seiner Gegner – worauf ich noch zu sprechen kommen werde – die »klassischste« und malerischste Schilderung der römischen Sichtweise der Kelten jedoch findet sich bei Strabon in einer Sammlung der (nicht erhaltenen) Geschichten des Poseidonius. »Die ganze, heutzutage gallisch genannte Rasse ist kriegsbesessen; sie ist jähzornig, angriffslustig, im übrigen einfach und arglos. Außerdem ist es so, dass sie sich, wenn sie einmal aufgebracht sind, zu großen Haufen zusammenschließen, um zum Kampf zu eilen, und dies mit viel Lärm, ohne die geringste Umsicht, so dass sie leicht denjenigen zum Opfer fallen, die gegen sie strategisch vorgehen. Und man provoziere sie, wann man will und wo man will unter dem erstbesten Vorwand – stets findet man sie bereit, der Gefahr ins Auge zu sehen, ohne mehr in den Kampf mitzubringen als ihre Kraft und ihre Kühnheit. Wirkt man mit Überzeugung auf sie ein, so geben sie sich leicht nützlichen Arbeiten hin, wobei sie sich dann sogar um die Wissenschaften und die Künste bemühen. Ihre Kraft rührt zum Teil von ihrer nicht unerheblichen Körpergröße her und zum Teil einfach von ihrer hohen Anzahl. Die Tatsache, dass sie sich so leicht in großer Anzahl zusammenfinden, hängt mit ihrer Natürlichkeit und ihrem persönlichen Stolz zusammen. Dank dieser Eigenschaften schließen sie sich immer wieder dem Unmut von wem auch immer an, der ihnen Opfer einer Ungerechtigkeit zu sein scheint.

Bei uns gibt es an sich drei Kasten, denen man besondere Ehren zukommen läßt: den Barden, den vates und den Druiden; die Barden sind Hymnensänger und Dichter, die vates Opferpriester und Deuter der Natur; die Druiden studieren neben der Wissenschaft von der Natur auch die Moralphilosophie. Man hat eine äußerst hohe Meinung von ihrer Gerechtigkeit: in diesem Zusammenhang wendet man sich an sie, um sie über alle öffentlichen und privaten Streitigkeiten entscheiden zu lassen [...]. Diese Druiden und andere Leute ihrer Art, lehren, dass die Seelen unvergänglich seien, und die Welt auch, dass aber eines Tages jedoch allein Feuer und Wasser regieren würden.

Freimütigkeit und Begeisterung paaren sich bei diesen Völkern mit Mangel an Vernunft, mit Angeberei und der Vorliebe für Schmuck. So tragen sie Goldschmuck, Ketten um den Hals, Ringe um Arme und Handgelenke, und ihre Würdenträger tragen Gewänder aus gefärbten und goldbesetzten Stoffen. Als Folge dieser bemerkenswerten Leichtigkeit erweisen sie sich als unerträglich im Sieg und niedergeschlagen in der Niederlage. Zu ihrem Mangel an gesunden Menschenverstand tritt bei ihnen eine barbarische und gräßliche Sitte, die dem Charakter der nordischen Völker innewohnt: nach den Kämpfen hängen sie die Köpfe ihrer Feinde ihren Pferden um den Hals und, wenn sie diese Trophäen dann mit nach Hause gebracht haben, nageln sie die Köpfe in den Fluren ihrer Häuser fest ...«

Eine schlichte Seele verbunden mit übermäßigem Mut; heftiger Hang zur Gerechtigkeit, zur Poesie und zum Kunstgewerbe, aber die Roheit von Barbaren ... So finden sich bereits bei Strabon in diesem archetypischen Porträt der Kolonisierten durch ihre Kolonisatoren ein Bündel »exotischer Charakterzüge« vereint, die überraschen bzw. erschrecken sollen und die auf verblüffende Weise den romantischen Klischeevorstellungen bezüglich der Chouans ähneln. Für die Römer ist der Kelte das Sinnbild des Exzesses ein spontaner Exzeß, der seinen Untergang heraufbeschwört; aber andererseits weist ihm – welch´ interessanter Ausgleich – seine Fähigkeit zur Domestikation den Weg zum Heil. Nil novi sub sole.