Bucht von St. Malo
St. Malo: Glühende Granaten, Krieg und Piraten
Romantik und Chateaubriand
Dass Saint-Malo in Wirklichkeit eine Insel ist, springt sofort ins Auge. Wie ein Schiff, das durch die Landenge bei Sillon an das Festland angebunden ist, scheint die Stadt im Meer zu liegen. An dieser Landenge reiht sich in Richtung Paramé, mittlerweile Stadtteil von »Groß Saint-Malo«, eine Meeresmühle neben die andere; aus einem Sumpf in der Nähe erheben sich die beiden kleinen Inseln Grand- und Petit-Talared. Der »rocher de saint-Malo«, der ursprünglich nach einem Eremiten »rocher d´Aron« genannt worden war, erhielt seine Bezeichnung schließlich nach einem Mönch, der in der Mitte des sechsten Jahrhunderts aus Großbritannien ins Land gekommen war. Seit dem zwölften Jahrhundert war die Insel eingeschnürt von Mauern und Wällen, später unternahmen Vauban und Garangeau systematisch den Bau der Festungsanlagen und verliehen der Insel ihre wehrhafte Eleganz. Die spätere Erweiterung verdankt sie dem Reichtum der Reeder und Freibeuter, von Jacques Cartier über René Duguay-Trouin, Bertrand-François Mahé aus La Bourdonnais bis Robert Surcouf.
Am Eingang zu Saint-Malo ist das Meer gespickt mit Inseln und Strudeln (Grands-Pointus, Chevreuils, la Bigne, les Pourceaux); die Inseln innerhalb der Bucht besitzen eine reiche Geschichte: Grande-Conchée, Petite Conchée und Cézembre; im Westen die Insel Harbour und schließlich einige amers, also »Inseln« für einige Stunden am Tag: Grand-Bé, Petit-Bé, Fort-National (auf der Karte zu finden als Fort-Royal, mit einem Mauerwerk verzeichnet). Weiter draußen, von der Stadt nicht mehr zu erkennen, erheben sich in Richtung Cancale die îles des Rimains, des Landes und das Eiland Du-Guesclin; vor Saint-Cast liegen Agot, Ebihens, Du Perron und de la Colombière.
Diese Inseln waren, dem Beispiel Saint-Malos folgend, Orte für Einsiedler, bevor sie befestigt wurden: Bran, genannt Navigation, der irische Mönch aus der berühmten Navigation, legte gemeinsam mit dem heiligen Malo (Maclou) in Cézembre an. Ihnen folgten Raoul Boisserel, Pierre le Solitaire ... und später dann die Franziskanermönche von der Insel Verte vor Bréhat: die Türmchen der vier Kapellen und des Klosters, die sie errichteten, konnten jedoch nicht mit den Flügeln der Windmühlen der Mönche mithalten. Das Wirken der Heiligen bezeugen heute noch das Oratorium (die Hauskapelle) von Petit-Bé, die Kapellen der Conchée, Grand-Bé, Ebihens und Harbour.
Bei jeder englischen Belagerung verteidigten die brennenden, in schwarzen Rauch eingehüllten Inseln diese Freibeuterstadt. Louis XIV beauftragte Vauban schließlich damit, diese natürlichen Anlagen zu verstärken, sie also auf königliche Staatskosten zu befestigen, mit dem Fort de la Conchée als Krönung der Bauarbeiten. Der Sieg bei Saint-Cast am 3. September 1758 entmutigte denn auch die Engländer und brachte somit den gewünschten Erfolg. Indes ging die Arbeit an den Festungen weiter, so auch am Fort-Royal. Wälle, Türme, Kasematten und Öfen, um die Granaten zum Glühen zu bringen, hatten für die Mönche fatale Folgen: nachdem man die erst beraubt hatte, wurden sie sodann endgültig vertrieben.
Die Zivilbevölkerung hatte auch später noch dem Krieg ihren Tribut zu entrichten: die Altstadt und die Inseln wurden 1944 zu achtzig Prozent zerstört.
Die ehemaligen deutschen Festungsanlagen auf Grand-Bé sind heute von der Insel verschwunden. Geblieben ist unter einem Granitkreuz eine blanke Steinplatte, die nicht den Namen desjenigen trägt, der hier seit dem 18. Juli 1848 beerdigt liegt: François-René de Chateaubriand, neben Madame de Staël einer der Wegbereiter der literarischen Romantik in Frankreich. Ohne nun an die Geschichte und deren Schrecken zu denken, muß man nach einem Besuch am Grab eines der größten französischen Dichter unweigerlich wieder in seinen Lebenserinnerungen Mémoires d´outre tombe lesen: »Hier auf dem Sandstrand vor dem offenen Meer, zwischen dem Schloß und dem Fort-Royal, treffen sich die Kinder. Hier bin ich großgeworden als Kamerad von Wind und Fluten. Gegen die Stürme zu kämpfen war eine der ersten Freuden, die ich genoß [...]. Ein anderes Spiel bestand darin, auf dem Sandstreifen Burgen zu errichten, die meine Gefährten fours nannten. Seit dieser Zeit habe ich oft für die Ewigkeit gebaute Schlösser gesehen, die schneller zusammenstürzten als meine Paläste aus Sand.«
Die Mémoires d´outre tombe", wörtlich: Erinnnerungen von jenseits des Grabes, waren von Chateaubriand, der im übrigen sehr fromm war, zur posthumen Veröffentlichung bestimmt und sollten ihm, so seine Hoffnung, über den Tod hinaus zur Welt sprechen lassen und ihm damit zur Unsterblichkeit verhelfen. Chateaubriand, 1768 geboren, begann bereits 1803 mit der Arbeit an seinen »Erinnerungen« und führte diese bis zu seinem Tod im Jahre 1848 fort. Neben einer Beschreibung seiner persönlichen Entwicklung liefert er darin nicht zuletzt ein Epos seiner Zeit und verleiht dem Atem der Epoche höchsten dichterischen Ausdruck.
Four in der konkreten Bedeutung bedeutet »Ofen«, faire un four dagegen heißt »ein Fiasko erleben«.