Gute Neger
Gute Neger mit Jungfrauen im Puff
Rechte Anarchisten
Die Jahre gehen vorüber. Die sozialen Spannungen ändern ihren Interessensmittelpunkt mit dem Aufkommen der städtischen, »gefährlich« genannten Klassen. Nach der Pariser Kommune wandelt sich die konservative Wertung des Bretonen. Sein Bild, einst leidenschaftlich, ja sogar anarchistisch, da heftig an ein System von altüberlieferten bedrohten Werten gebunden (der Bretone erscheint in gewisser Weise zu dieser Zeit als »rechter Anarchist« wird friedlich und immer affektierter. Als ob sich in ihm eine einfache Tradition verkörperte, bestehend aus Glauben, Respekt vor der bestehenden Ordnung und Aufmerksamkeit für den langsamen Pulsschlag einer Natur, die unempfänglich ist für die brutalen Erschütterungen durch die Geschichte. Der bretonische Bauer wird ein weiser Mann. Besser noch, in der entsprechenden Bildkunst folgt ihm das junge bretonische Mädchen nach.
Jungfrau, wie die von ihr verehrte Jungfrau Maria, stärkt Soizig ihre Spitzenhaube und ihre gestickten Samtkorsagen, bevor sie sich zu ihrem Verlobten begibt, der mit einer ebenfalls bestickten Weste bekleidet ist, um ihn »am kleinen Finger« zu führen zu einem bezaubernden Brunnen oder besser noch zu Füßen eines Passionsbildes, das wegen seines Alters um so bewegender ist. Erbauliche Farbensteindrucke, die auch Weihbilder sind. Die ganze gewaltträchtige Bildlichkeit, mit der die schwarze Romantik gerne die Bretagne beschrieb, ist wie weggewischt, so als hätte ein erhabener Wind den Sturm vertrieben. Keine Finsternis mehr mit heidnischem Beigeschmack, keine Gewitterhimmel, keine fieberigen Horizonte mehr ... Sondern im Gegensatz dazu ein mit Schäfchenwolken bezogener Himmel, wechselnd durch eine überquellende Seele; ein bewegtes Meer, aber vor allem Erlöser; unter diesen Wolken verschmilzt ein kräftiges und gesundes Volk mit der Gischt in einer ursprünglichen Extase, ein Volk, das durch die Heide streift, seinem Glauben und seinen Traditionen treu verpflichtet. Kurz und gut, ein Heer von folgsamen Dienern, nicht aus Mangel an »rassischer Noblesse«, sondern im Gegenteil, weil sich diese Noblesse in einer völligen Ergebenheit und einem absoluten Mystizismus verkörpert.
An diesem Punkt in der Entwicklung des Stereotyps wird deutlich, dass auf ein Bild des Bretonen hingesteuert wird, das dem des »guten Negers« nahekommt. All seine Eigenschaften und all seine Tugenden messen sich in der Tat am Grad seines Gehorsams. Und wenn es feststeht, dass er meistens schlicht, naiv und unwissend ist, dann heißt dies, dass diese Schlichtheit, diese Naivität und diese Unwissenheit die Vortrefflichkeit seines Naturells manifestieren. Der Beweis dafür? Die bretonischen Intellektuellen selbst, um Monsieur Renan herum beim Dîner celtique vereinigt, pflichten darin bei, wenn sie in Romanen oder in Erzählbänden ihre Landsleute wie Wesen darstellen, die um so anziehender sind, als sie einfach und abergläubisch sind. Ein weiterer Beweis? Der Bretone nimmt mit einem Lächeln hin, dass man sich über ihn lustig macht (aber begreift er wirklich, dass man sich über ihn lustig macht?). Und diese jungen, unerfahrenen Mädchen, die in ganzen Waggons in den Bahnhof Montparnasse strömen, erkennen sie sich nicht wieder in Bécassine? Es ist besser, erklären die Damen aus dem Faubourg Saint-Germain, dass sie sich mit dieser dummen aber großherzigen, stummen und geschlechtslosen Hausangestellten identifizieren, als mit einer jener widerstandsfähigen Prostituierten, die Straßen und Bordells bevölkern, weil sie naiv auf die Zuhälter gehört haben, die sie beim Aussteigen aus dem Zug angeredet hatten ...
Auf diese Weise endet die Entwicklung des zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfundenen bretonischen Stereotyps nach einer langen Reihe von Veränderungen, die mit den ideologisch-politischen Umständen in Zusammenhang stehen, in Verachtung und Lächerlichkeit.