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Meisterwerke

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Druiden, Zaubersprüche, Jungbrunnen und steifes Röhricht

Dem Wasser geweiht, gurrende Tauben und zum Teufel mit den Christen

Häufig bilden die Brunnen architektonische Meisterwerke. Aber dies entgeht dem Betrachter, so sehr ist er in ihrem Anblick gefangen, wenn er ihrer unter dem verworrenen, dichten Gezweig ansichtig wird, von wo das Piepen der Spatzen und das Gurren der Ringeltauben erklingt, nahe der Kapelle, die so leicht und schillernd sich erhebt, wohingegen unten in den Wiesen, Felsen und Büschen abseits der Wege das dünne und glatte Gewebe des Wassers sanft gegen den Stiel des Fingerhuts, das steife Schilfrohr oder das üppig wuchernde Knäuelgras schlägt, um schließlich durch das in blaues Licht getauchte Loch der Zeit zu entschwinden.

Gilt meine Vorliebe auch den einfachen Brunnen – bestehend aus einem waagerechten, mit Nischen ausgehöhlten Mäuerchen, das ohne Mörtel aufgeführt ist, sowie, von kaltem Efeu eingefaßt, einem Wasserbassin, einer Mulde oder einem rissigen Becken – so liegt der Reiz der monumentalen Brunnenanlagen dagegen in gleichem Maße in ihrer künstlerischen Schönheit, im Kontrast, den sie zu dem gesamten Raum bilden, der sich hier leer, dort üppig gibt und zu dem sie untrennbar dazugehören, sowie in ihrer Stille und Ruhe, die eine Ahnung von dem wunderhaften Lauf des leise fließenden Wassers geben.

Unwillkürlich denkt man an die unbekannten Baumeister der Brunnen und daran, welche Macht ihre Überzeugungen und, später, ihr religiöser Glaube besaßen. Auf den in der Zeit der variszischen Gebirgsbildung entstandenen Höhenzügen, die seit Urzeiten besiedelt waren und sich lange in der Hand der Druiden befanden, sind heute noch reichlich Dolmen und Steinalleen, allées couvertes, zu finden. Oft bildeten alte, dem Wasser geweihte Gebäude der Druiden unter einer Buche oder Pinie die Grundlage für die dreieckigen Giebel, die als Symbol der göttlichen Dreifaltigkeit errichtet wurden. Sie bestehen aus Schiefer, hartem Granit oder Kersantit, jenem feinkörnigen Stein von trüber Farbe, der sich sehr sauber schlagen läßt und, da leicht zu bearbeiten, sich bestens eignet zum Ziselieren der Brunnenstatuen in der art breton, der »bretonischen Kunst«.

Pocken, Pest und Cholera, BSE, Aids und die Hühnerpest

Die Ankunft der christlichen Mönche auf druidischer Erde führte zu einem Zurückdrängen der okkulten und heidnischen Kräfte der Quellen, indem diese, die Mönche, durch den Bau von Kapellen, Brunnen und Kreuzen auf den Stätten der »teuflischen und verdammten« Bräuche sich dieses Potential – nun im Sinne Gottes – einverleibten. Die Druiden pflegten im Umkreis der Flüsse und Quellen Zaubersprüche mit Heilsversprechungen und Weissagungen aufzusagen, welche die Mönche, die seit dem fünften Jahrhundert aus Irland und von der Britischen Insel ins Land kamen, übertrugen und christianisierten. So dass sich trotz der Stein- und Holzkreuze über den Brunnen neben den christlichen Gebeten und mit diesen vermischt genauso viele fremde Bräuche erhalten haben, etwa verschiedene Arten ritueller Handlungen zur Heilung von Rheuma, Tollwut, Fieber, Kinderkrankheiten, Gicht oder Viehseuchen, von denen jeder Brunnen seine eigene besitzt. Dabei stößt man auf das mystische Prinzip der Dualität, das sich auch im noch vor kurzem beobachteten Brauch der »doppelten Taufe« wiederfindet: zuerst erhält der Täufling durch das Taufwasser die Unschuld geschenkt, danach seine Vorherbestimmung zu Glück und Gesundheit durch das sprichwörtlich wohltuende Wasser dieser Jungbrunnen.

Hier liegt die Erklärung für die Tausende von Kapellen und Brunnen, an denen die bretonische Erde einen so reichen Schatz birgt. Hier zeigen sich die beiden geistigen Quellen für die Künstler und Handwerker, die – mit Ausnahme einiger Meister der Romantik oder Spätgotik – unbekannt geblieben sind.