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Dudelsackromantik

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Stereotypen

Aus Alt mach Neu

Aber selbst die radikalen Bemühungen, das heißt die Versuche autonomer Gründungen historischer und kultureller Art, die bestrebt sind, sich in die Moderne einzureihen, entkommen diesem gefährlichen Verlangen nicht. So hatte eine so originelle und durchdachte literarisch-künstlerische Bewegung wie diejenige, die sich um die Zeitschrift Gwalarn organisierte, als Ziel, mit diesem Verlangen zu brechen, was ihr aber nicht völlig gelang. Und es ist offenkundig, dass man fast wörtlich die Worte im Schlußkapitel des Artikels von Catherine Bertho auf die wundervolle Zeitschrift beziehen könnte, die heute unter dem Titel Ar Men eine Gruppe von Forschern und Hochschullehrern veröffentlicht: »All dies scheint zu scheitern, als des bretonische regionale Stereotyp eine Wende nimmt, die in den Jahren nach 1968 radikal wirkt. Zum ersten Mal seit einem Jahrhundert ist die Verbindung zwischen dem bretonischen Stereotyp und dem konservativen Gedanken gebrochen. Von nun an schwenken die Themen Natur und Tradition »nach links« (in dem Moment übrigens, wo die Ökologie zum politischen Thema wird). Aber in der Tiefe ändert sich die Struktur des regionalen Stereotyps nicht. Stets ist es die ländliche Kultur, welche die Persönlichkeit der Provinz ausmacht; sie wird immer noch in Bezug zur Folklore gesetzt; noch immer sind es der Charakter der Rasse, die Persönlichkeit der bretonischen Sprache, der Einfluß des Klimas und der Bodenart, das Feiern von Trachten, Tänzen und Denkmälern, die auch weiterhin die Darstellung der Provinz nähren. Aus Alt mach Neu.«

Wie ist es zu erklären, dass diese Zeitschrift moderner Machart, mit äußerst niveauvollen Artikeln, perfekter Bebilderung, die als Untertitel verkündet: Die Bretagne, eine zu entdeckende Welt, Maler und Zeichner fördert, wie Jacques Burel, Henry Cheffer, Xavier Josso, Yvonne Jean-Haffen und (den Besten der Gruppe) Mathurin Meheut, während sie Bazaine, Lapicque, Tal Coat; Le Groumellec, Bourel, Le Meaux oder Dilasser unbeachtet läßt, nur weil erstere, was immer auch ihre Eigenschaften sein mögen, eine traditionelle und folklorehafte Sichtweise von der Bretagne gegeben haben, während letztere sich bemühten (bzw. bemühen), die Bretagne in die Bewegung der universellen Kunst einzubinden?

Dafür, dass es nur ein Beispiel ist, scheint mir diese Bewegung bedeutungsvoll. Sowohl versteckte Ideologie des Teams, das die Zeitschrift betreibt (von der ich um keinen Preis eine Nummer verpassen würde!), als auch Wünsche der Öffentlichkeit, die sich Sommer für Sommer am »Dreschen wie einst« und an Banketten alter Art erfreut. Es scheint, dass die wahre und authentische Bretagne selbst nach gelehrter und fortschrittlicher Auffassung eine im Verschwinden begriffene, traditionelle Welt bleibt, die von Volkskundlern studiert wird, und deretwegen sehnsüchtige Tränen vergossen werden.

Wie jeder andere auch bin ich in die Vergangenheit, in Mythen und Folklore verliebt. Auch ich, der ich gegenwärtig die »wirkliche« Bretagne als Thema angehe, oder besser noch: die Bretagne, so wie sie sich mir heute auf der Basis ihrer Vergangenheit zu entwickeln scheint, auch ich kann nicht garantieren, dass meine Sicht nicht von Stereotypen verfälscht sein wird. Wenigstens wird man mir den Willen nicht absprechen können, versucht zu haben, mit ihnen zu brechen, indem ich jene drei Attribute eines nach dem anderen hinterfragen werde, die uns angeblich, häufiger zum Schlechten als zum Guten, bestimmen sollen: keltisch, altertümlich und chouan.