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Mord und Totschlag

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Sirenen, Jungfrauen, Sex im Zauberwald

Mörderische Feen und ersoffene Liebhaber

In dem Wald, wo der Dichter Victor Segalen auf ungeklärte Weise zu Tode kam, plätschert das reinigende Wasser berauschend entlang der hochgelegenen Stationen aus dem Kreis der Tafelrunde: das Felsenmeer der Mühle, die Teufelsgrotte, das Haus der heiligen Jungfrau, der Abgrund, die Grünen Säle und schließlich das Artusfeld; das ausgetrocknete Flußbett des Silberbaches in dem Gestein, bei dem die schöne Dahut, zur Sirene gewandelt, sich mit den Feen einfindet, die dort in der Nacht ihre Haare glätten, um nicht die Wehklagen ihrer ertrunkenen Liebhaber hören zu müssen.

Mittelalterliche Heckenlandschaften

Nahe bei Carhaix, der ehemaligen Hauptstadt von Poher (Pagus Castri) am Saum der Montagne Noire, kündigt der Brunnen in Saint-Languis bereits eine Flußlandschaft an, deren Zentrum Châteauneuf-du-Faou ein weites Panorama von dunklen, geheimnisvollen Anhöhen überragt: genau in dieser sehr ländlichen Gegend läßt die hier schon breitere Aulne die Hecken-Landschaften (Bocage) von Spézet und Saint-Gouazec und später den Wald von Laz entstehen, dessen Abschluß der Park zur Burg Tévarez mit seinem geradezu tropischem Pflanzenwuchs bildet. Die Aulne gibt sich dann als Meeresstrom ab Port-Launay, von dessen verlorenem merkantilen Wohlstand lediglich ein großer Platz noch Zeugnis gibt, mit einem Brunnen am Eingang der verlassenen Anlegeplätze.

Bloße Brüste, gute Muttermilch, geheimnisvolle Auren und die Heilige Maria

Auf der Rückfahrt in Richtung Osten hinein in die Stille der verschlossenen und vom Gezweig eingehüllten Montagne Noire, wo Felder und Wiesen unendlich viele winzige Lichtungen bilden, gelangen wir zu dem hübschen kleinen Bauwerk aus dem 16. Jahrhundert, das die drei Quellen der Kapelle der Drei Brunnen einschließt. Weiter, in der Nähe von Gouézec, treffen wir auf den Brunnen Notre-Dame-de-Tréguron: ein dreieckiger Giebel, das Gewölbe aus Rundbögen über einem großen quadratischen Becken, eingefaßt von mächtigen Steinen; darin eine beachtliche Statue der heiligen Jungfrau, die, den Oberkörper entblößt, in einer Nische das Jesuskind hält, das seine beiden Hände an die Spitzen der mütterlichen Brust gelegt hat; sie heißt Mamm ar Laz, die »Milch spendende Mutter«. Frauen, die sich reichlich Muttermilch wünschen, müssen dreimal mit geöffnetem Hemd um die Kapelle herumgehen und jedesmal am Brunnen anhalten, um sich die Brust zu waschen; danach treten sie wieder in die Kapelle ein, beten fünf Vaterunser und fünf Avemaria und hinterlassen einen kleinen Obulus.

Das einfache architektonische Grundmuster und das ausgeführte Ritual lassen gleichermaßen aus diesem Brunnen von Gouézec eine Art Archetypus werden: eine Mauer, in die eine Nische geschlagen ist – Symbol der geheimen Grotte, aus der das Wasser hervorschießt – dient zugleich als Schutz für die Abbildung, die der Quelle ihre heilige Aura verleiht. Für diese segensreiche Statue wird fast immer eine Mariendarstellung gewählt, deren Name mit der jeweiligen Umgebung oder der Macht die man ihr zuschreibt, in Verbindung steht: Notre-Dame-du-Roncier (Brombeerstrauch), Notre-Dame-des-Orties (Brennesseln), Notre-Dame-des-Fleurs (Blumen) ...