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Napoleonische Zeit

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Schwarze Romantik, dickschädelige, revoltierende Bauern

Männer aus Granit mit dicken Knüppeln

Während sich die napoleonische Epoche darum bemüht hatte, im Anschluß an die von Rousseau initierte, die einfache Natur feiernde Modewelle nun das Loblied auf die keltischen Ursprünge des französischen Volkes zu singen (im Unterschied zu den »fränkischen Ursprüngen des Adels), wird die extremistische Literatur im Gegensatz dazu mit Hilfe der schwarzen Romane vom gleichen Schema ausgehend ein anderes Bild vom Bretonen entwerfen. Darin wird er gezeigt als seinen Herren treu ergeben, fromm, starrköpfig und wild, so wie das Klima und die Landschaften, die ihn umgeben. Seine ihm unterstellte Fähigkeit zur Revolte, abgestimmt mit dem romantischen Geist, wird von nun an eine Folge all seiner Eigenschaften sein; und seine Leidenschaft für die wahre, sich mit der seiner Herren deckende Freiheit, wird ihn immer gegen ein mögliches Wiederaufleben der Schreckensherrschaft aufstacheln. Ein Mann »aus Granit« so wie seine Herren (»In ihm ist der bretonische Granit Mensch geworden« schreibt Balzac in Béatrix über den Baron de Guénic), wird der bretonische Bauer der schwarzen Romantik also, wie Catherine Bertho dies unterstrichen hat, »ein Mann im bragou-braz mit langen Haaren sein, mit einem penn-baz bewaffnet, sich gegen einen Gewitterhimmel abzeichnend inmitten einer Kulisse aus gotischen Ruinen« wobei die bragou-braz weite Pluderhosen sind, charakteristisch für die »traditionelle männliche Kleidung, wohingegen der penn-baz ein dicker Knüppel ist, angebliche ebenfalls traditionell, aber wesentlich gefährlicher ...

Und dieses Bild ist das, welches die jungen romantischen bretonischen Schriftsteller noch verstärken (die sich zugegeben oftmals in Paris niedergelassen haben), wie z.B. Brizeux oder Souvestre und noch stärker Hersard de La Villemarqué, dessen Sammlung von bretonischen Gedichten und Geschichten Barzaz-Breiz (sein vieldeutiges Hauptwerk, auf das wir noch zu sprechen kommen) sich jedoch wie die Arbeit eines Volkskundlers darstellt (was es in vieler Hinsicht auch ist), der alte Lieder der Gegend sammelt: tatsächlich gehört für La Villemarqué dieses Unterfangen (auch) zum legitimistischen und nationalistischen Kampf, der mit viel Pathos durch die folgenden Verse illustriert wird (die im Kreise seiner Nächsten deklamiert wurden):

Si l´anarchie encore ensanglait la France

On nous verrait amis, implorant l´Eternel

Proclamant le retour de notre indépendance

Reconstruire le trône et relever l´autel.(1)

Die Stereotypen sind jedoch insofern interessant und plastisch, als sie reversibel und entwicklungsfähig sind. In seinem Roman Dreiundneunzig erfindet Hugo in der Tat einerseits die »doppelte Figur Tellmarch (doppelt, da sich Tellmarch, der sich als arm definiert, weigert, zwischen Royalisten und Republikanern zu wählen, und auf diese Weise eine große Menschlichkeit erwirbt) und andererseits Gouge le Bruant, alias Brise-Bleu oder l´Imƒmus, der mehr als ein Wilder einen Barbaren verkörpert, der mit einer »epischen Grausamkeit ausgestattet ist. Auf diese Weise wandelt sich das Bild des keltisch-altertümlich-und chouantreuen Bretonen vom Positiven ins Negative, indem es von der schwarzen Romantik zur fortschrittlichen Romantik wandert, ohne sich dabei in seinen Hauptzügen zu andern. Freilich war Hugo Republikaner, daher jene Erklärung voller Zärtlichkeit, die er selbst liefert: »Die Bretagne ist eine alte Rebellin. Jedesmal, wenn sie sich auflehnte in den letzten zweitausend Jahren, hatte sie recht gehabt; beim letzten Mal hatte sie unrecht.«

1.) Durchtränkte die Anarchie Frankreich wieder mit Blut

Sähe man uns Freunde, den Ewigen anfleh´nd

Die Rückkehr uns´rer Unabhängigkeit verkündend

Den Thron wiederaufbauend und den Altar aufs neu´ errichten.