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Concarneau

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Wirrwarr und Thunfisch

Trawler, Gaugin und Verletzungen

Die Bucht von Concarneau ist erfüllt vom Knirschen der Takeln und Ständer, vom Schlagen der Schalen und dem gleichtönigen Surren der Winden. Laute Rufe ordnen das Gewirr des Hafens, der sich zunehmend belebt.

In den festen Maschen der Reuse, die am Ende eines Ladekrahns in der Luft schwebt, lagern Unmengen von Weißem Thunfisch, der seinen Namen einer metallisch grauen Färbung verdankt. Für einen kurzen Moment kommen sie darin zur Ruhe, bevor sie auf den Lastwagen geworfen werden, der mit laufendem Motor bereits wartet.

Bord an Bord dümpeln die Fischdampfer im unaufhörlichen Klacken ihrer untätigen Takelage vor sich hin. In einem Wechselspiel der Farben beginnen das immer wieder von roten Borten gesäumte intensive Blau, das Smaragdgrün, Blutrot oder die gleichmäßigen Weiß- und Schwarzflächen der Planken unter den ockerfarbenen Mauern der Ville close miteinander zu tanzen. Die Ville close auf einer Insel im Hafenbecken ist die Altstadt von Concorneau. Coq mit seiner halbmondförmigen Festungsanlage beschützt den rückwärtigen Teil des Hafens, den arrière-port, wo nachts unter Scheinwerferlicht die Fische angelandet werden. Männer in ihrem gelben Ölzeug und Frauen, ausgerüstet mit Handschuhen, Harken, Hacken und Klammern, arbeiten mit behender Sicherheit und Präzision in der silbrigen Flut von Fischen. Am Morgen dann, wenn die nur für Eingeweihte wahrnehmbaren Tauschgeschäfte getätigt sind, verschwinden nach den unverständlichen Sprüchen des Ausrufers mit den Fischerhändlern auch die Kisten voller Garnelen, Rotbrassen, Seehecht, Knurrhahn, Lachs, Rochen, Kabeljau, Makrelen ...

Auf der Brüstung zum Hafen am Eingang der Ville close sitzt ein alter Mann, den Rücken dem Meer zugewandt. Er läßt den Vorübergehenden unter das schwere Tor eintreten, das sich über dem königlichen Schild erhebt, und die Rue Vauban hinaufsteigen. Von der Place Saint-Guénolé führen einige wenige Schritte zum Hafen. Von einem Standpunkt oberhalb der Wälle zeigt sich die Anordnung der Boote: an der linken Seite in Richtung Quai de l´Aiguillon haben die Sardinenfischer und etwas weiter auch die Schleppnetztrawler und die Kutter für Thunfischfang angelegt. Die größten von ihnen durchkreuzen die Irische See oder den Golf von Gascogne, während sich die kleineren mit den unmittelbaren Küstengebieten zufriedengeben. Rechts der Kühlhäuser und des Versteigerungsplatzes liegen die Frachter, Kühlschiffe und die großen transatlantischen Fabrikschiffe, die in den Gewässern des Golf von Guinea oder des Indischen Ozeans verschiedenste Arten von Thunfisch fangen.

War es auf diesen Kais oder in einer Hafenkneipe, wo sich Paul Gauguin mit Seeleuten prügelte, weil sie sich über sein Bild Annah la Javanaise lustig machten? Tief verletzt kehrte Gauguin dem Land den Rücken, um die letzten acht Jahre seines Lebens in Tahiti zu verbringen.

Dies war 1894. Gezeichnet von dem künstlerischen Genie Gauguins, hat das Land – von Pont-Aven bis Pouldu – seitdem unwiderruflich eine andere Identität angenommen: das Feld Derout-Lollichon, die Kapelle in Tremalo, der Kalvarienberg können nicht mehr anders als durch die gelben Bäume, die ultramarin farbenen Schatten, die zinnoberroten Blätter Gauguins und seiner Freunde gesehen werden. Emile Bernard, Sérusir, Meyer de Haan, Verkade, Laval, Filiger, sie alle fanden Zuflucht im Hotel der Julia Guillon oder der Pension Glouec ...

Der grüne Christus, Der gelbe Christus, Die schöne Angèle, Die Vision, Nach dem Gebet: mit den Bildern hat sich der Blick auf die Dinge geändert, für immer.