Fiktion und Leidenschaften

Universalienstreit, Nominalismus, Abelard

Den Idealisten, von denen die Existenz der Welt angezweifelt wurde, entgegnete Engels: »Der Beweis dafür, dass es den Pudding gibt, liegt darin, dass man ihn ißt.

Es würde also genügen, die geschmacklichen Reichtümer zu Land und zu Wasser aufzuzählen (Fisch, gesalzene Butter, Crêpes, Austern, Galettes, Wurst, Milch, Butterkekse von Lu, Schlackwurst aller Art und sogar seit kurzem der Emmentaler von Meule d´Or!), um den Nachweis für die Existenz der Bretagne zu bringen. Außerdem muß ich betonen, dass nichtsdestotrotz die Frage »Existiert die Bretagne wirklich?« zu stellen, nicht den alten Universalienstreit wiederbeleben soll (wenngleich auch Pierre Abelard; der berühmteste Philosoph des 12. Jahrhunderts, Bretone und Nominalist war, dass heißt, Anhänger der Vorherrschaft des Wortes über die Dinge oder vielmehr des gedanklichen Objekts über das reale Objekt). Und dass es auch nicht meinen Absichten entspricht, die Verteidigungsrede für den großen George Berkeley zu halten (für den jegliche außerhalb des Gedankens liegende Realität keinerlei Sinn hatte), unter dem Vorwand, dass dieser Theologe und Philosoph Ire war und dass die Iren, wie allgemein bekannt, die Brüder der Bretonen sind.

Die Frage ist trivialer und kann, ohne damit an Bedeutung zu verlieren, auf Philosophie verzichten. Denn ungeachtet der theoretischen Streitigkeiten, die ihre Form suggeriert, läuft sie auf eine andere Frage hinaus: Wer begann wann von der Bretagne und den Bretonen zu sprechen als von einer differenzierten Einheit, die einzigartige Züge besitzt? Die Antwort fällt völlig unterschiedlich aus, je nachdem ob man darin einen alten und eingeborenen Habitus sieht oder ganz im Gegenteil eine neuere und importierte Erfindung. Im ersten Fall existiert die Bretagne und stellt eine uralte Tatsache dar; im zweiten Fall ist die Bretagne eine von manchen Leuten ersehnte Fiktion, um ihre Interessen und bzw. oder ihre Leidenschaften zu nähren.

In Wirklichkeit ist die Wahrheit wie immer vielschichtig. Die Bretagne ist eine Realität, aber auch eine Erfindung.