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Belle-Ile-en-Mer

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Belle Ile: Ginster, Blumen

Sarah Bernhardt, Arletty

Der Nebel hat sich schon früh verzogen. Zu dieser Stunde sollte man einen Spaziergang in Richtung pointe des Poulains machen und beim kleinen Strand von Ramonette nach Le Palais hinaufsteigen, der kleinen Hauptstadt der Insel. Im Hafen, neben den Sardinenbooten mit ihren blauen Netzen scheinen die Schiffe zum Thunfischfang mit ihrem gewaltigen Kiel neben Fässern und rostigen Barken zu schlafen. Entlang der quais Fouquet – eine Reminiszenz an den einstigen Besitzer – sitzen auf den Holzbalken einige Möwen, die wahrscheinlich aus dem Schutzgebiet von Kohkastell bei Sauzon herübergekommen sind. Wenn man aus dem Doppeltor mit den gewölbten Öffnungen über dem grasbewachsenen Vorfeld der Festungsanlagen heraustritt, bietet sich der Weg entlang der Gräben rund um die Zitadelle des Marschall von Retz an, wohin sich der Kardinal von Retz flüchtete und wo später Cadoudal, Blanqui, Barbès und Messali Hadj eingesperrt wurden. In Richtung Taillefer findet man auf einem von Ulmen, Platanen und Eichen gesäumten Weg die Überreste des angeblichen oder tatsächlichen Waldes von Bangor. Die niedrigen Häuser, gebaut aus dem Schiefer der Insel, ihre Dächer mit Schiefer vom Festland gedeckt, stehen nach Süden ausgerichtet, die Ställe aus Stein ohne Mörtel zusammengefügt, Schuppen und Scheuer mit Dach aus Stechginster, gemeinsame Brunnen und Waschplätze. Viele Farben beleben die Szenerie: Rosa, Weiß, das Rot der Geranien und die Malvenfarben der Petunien in den Blumenkübeln auf den Fensterbänken ... Wir machen halt an der pointe de Taillefer, wo wir in der Ferne Groix erspähen. An Quinénec und Kerzo vorbei erreichen wir das in einem grünen, ruhigen Tal eingeschlossene Dorf Sauzon;. Hinter Sauzon bleiben von der kleinen Festung, in der die legendäre Sarah Bernhardt einst wohnte, nur Ruinen, ihr Schloß wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Die Sonne steht hoch. Ein riskanter Pfad führt zur pointe des Poulains hinunter gegenüber dem rocher du Chien, dem »Hundsfelsen«, wo man über die Steine klettern kann, um nach Borderune zu gelangen. Dort kann man bis zur Erschöpfung dem unruhigen Meer folgen, das sich in einem Wirrwarr scharfer, spitzer Klippen auf den Schiefer der Küste stürzt. Bei der grotte de l´Apothicaire, der Apothekergrotte, zerschellt die Welt.

Wir steigen nicht hinab nach Port-Donnant, wo eine weitere Grande Dame der französischen Bühne (und des Films) wohnte: Arletty, unsterblich geworden durch ihre Rolle in Michel Carnés Film Les enfants du paradis (»Die Kinder des Olymp«). Wir begreifen den Ursprung des Namens von Port-Coton (etwa: Wattehafen): der vom Meer zurückgeworfene Schaum bildet dort dichte Bänke, großen Wattepacken ähnlich. Auf dem Rückweg begrüßen wir nahe bei Runelo den einzigen Granitstein der Insel: den menhir Jeanne gegenüber dem menhir Jean, genannt die »versteinerten Liebenden«.

Wer die Insel zu Fuß durchmißt, kann zwei Tage später die grande lande, die große Heidelandschaft, durchstreifen, wo der Wind sich aufbläht über den gebogenen Pflanzen im Schein von Oxyd und Gold. Wenn am nächsten Tag immer noch schönes Wetter ist, lohnt sich ein Spaziergang im südlichen Teil der größten Insel dieser Bretagne: von der grotte du Talus bis zur pointe d´Arzic, auf dieser Kette von Klippen und Inseln, den letzten Spuren der Überschwemmung der Küste.

In weiß-goldene Buch der Insel schreibe man seinen Namen hinter den von Saint Amant, Cadoudal, Vauban, Blanqui, Barbès, Sarah Bernhardt, Arletty, Flaubert, Dumas, Proust, Merbeau, Colette, Prévert, Desnos, Quefféles, Monet, Matisse, Derain, Gruber, Vasarely, Albert Roussel ...