Belfast
Belfast (Vorwahl 01232)
Heimathafen der Titanic
In der »Hauptstadt Nordirlands« wohnt ein gutes Drittel der gesamten Bevölkerung der abgetrennten Provinz, wobei auf die Protestanten ein Anteil von zwei Drittel gegenüber einem Drittel Katholiken entfällt. In der großen Industriestadt wurden schon früh Manufakturen und Industriebetriebe angesiedelt, während das übrige Irland größtenteils landwirtschaftlich geprägt blieb. Als Symbol für die florierende Wirtschaft und die gut funktionierenden Handelsbeziehungen galt lange Zeit die Werft Harland & Wolf, wo übrigens auch die »Titanic« vom Stapel lief. Dank der fortschreitenden Industrialisierung und des Handels mit den Kolonien gelangte Belfast zu beträchtlichem Wohlstand, wovon heute noch die schöne viktorianische Architektur im Stadtbild zeugt.
Kleine Ortskunde
Herz der Metropole ist natürlich die Innenstadt mit typischen Bauwerken und -denkmälern, Bank- und Behördengebäuden sowie den großen Kaufhäusern.
Von der Stadtmitte ziehen sich zwei Straßen bis zu den Katholikenvierteln Lower Falls, Ballymurphy und Andersontown hin: die Divis Street, in Verlängerung der Castle Street (s. C2), und die Grosvenor Road (Plan C1).
Die Peters Hill North Street und ihre Verlängerung, die Shankill Road führen dagegen in das zentrale Protestantenviertel Shankill.
Über die Great Victoria Street (Plan D-E2) gelangt man wiederum in den Stadtteil zwischen Botanic Avenue und University, unweit der Queen´s University (Plan F1-2), in der beide Gruppierungen in friedlicher Eintracht wohnen. Dort liegen auch die meisten Pensionen. Rechter Hand der Great Victoria Street, zwischen Grovenor Road und dem Royal City Hospital, erstreckt sich die Sandy Row, eine winzige protestantische Enklave. Auch die Bewohner der Lisburn Road hinter dem Hospital (Plan E-F1) sind überwiegend Protestanten, aber seit einigen Jahren mischen sich immer mehr Katholiken darunter.
Mit Ausnahme der gemischten Viertel sind die »Grenzen« zwischen den Parteien deutlich gezogen, entweder durch die Autobahn, etwa die M 1, oder durch sogenanntes »Niemandsland«, Straßen, die gesperrt oder unbewohnt sind. Sie erinnern an die Pogrome der königstreuen Milizen in den Jahren 1969 und 1970, als ganze Häuserblocks der Katholiken in Flammen aufgingen.
Lange Zeit zeigte der Umkreis des Stadtkerns deutlich die Spuren des Krieges: zerfetzte Mauerreste, tonnenweise Schutt und Asche auf den Straßen, weite verwüstete Flächen, auf denen vorher Häuser gestanden hatten, vergitterte Pubs, riesige Graffiti überall. Der Schock saß tief, die Brutalität der Auseinandersetzungen bleibt ständig allgegenwärtig. Seit einigen Jahren gewähren jedoch die britischen Behörden Kredite, damit der Aufbau vorangetrieben werden kann. Dies kommt auch den katholischen Wohnvierteln zugute, so dass seit kurzem viele neue Häuser entstanden sind. In dem vollkommen zerstörten Stadtteil Lower Falls hat man eigentlich alles von Grund auf neu bauen müssen. Allerdings: für die katholischen Viertel ist der Regierung das billigste Baumaterial gut genug. Nach zehn Jahren sind die Häuser in der Regel schon wieder erneuerungsbedürftig, und Vandalismus aus Verzweiflung tut ein Übriges.
Es liegt auf der Hand, dass die Regierung in London den Eindruck erwecken will, der Diskriminierung der Katholiken ein Ende setzen und die Ordnung in Nordirland wiederherstellen zu wollen, auf dass der normale Alltag wieder einkehre. Durch den vorläufigen Frieden wird die apokalyptische Vision der völligen Vernichtung Belfasts unwahrscheinlich, aber gelöst sind die Widersprüche noch längst nicht. Man braucht sich nur die unzähligen Parolen an den Mauern und Fassaden zu Gemüte zu führen.
Ein wichtiger Beweggrund für einen Besuch der Stadt müßte daher der Wunsch sein, einiges über die Hintergründe der Spannungen zu erfahren, auch und vor allem von den Betroffenen selbst. Die Republikanhänger des Landes träumen davon und kämpfen dafür, dass die Engländer sich eines Tages vollkommen zurückziehen und dass dann der Weg zur Vereinigung mit dem anderen Teil Irlands frei werde. Dann würde man die nordirischen Städte Seite an Seite mit den irischen Protestanten wieder aufbauen.
Sollten jemandem Zeitungsverkäufer begegnen, die das republikfreundliche Blatt An Phoblach-Republican News feilhalten, so gilt´s zuzugreifen. Das bringt einen auf den neuesten Stand der aktuellen Politik. Wen´s zu den »Falls«, ins Herz des Katholikenviertels, zieht, läßt sich am besten am unteren Ende der Castle Street von einem »Sammeltaxi« aufgabeln und steigt am Dunville Park aus. Das Ziel genau angeben.