Machen wir ein Buch?

Reise, Sachbuch, Belletristik ...?
Alle interessanten Themen;
alles was bewegt.

Hier geht´s weiter!

Friedensprozess

Body: 

DAS ENDE DER „TROUBLES“

Die letzten Etappen zum nunmehr absehbaren Frieden

1992: Die IRA läßt in der Londoner City, in Bishopsgate, also dem Herzen der britischen Finanz- und Handelswelt, eine Bombe hochgehen, die ein Zehntel der Büroräume der City zerstört. Sie macht klar, dass die Beendigung des Krieges in Nordirland nunmehr unbedingte Priorität haben muß. London unterstüzt Nordirland jährlich mit drei Milliarden Pfund, rund 7 Milliarden DM. Das ist aus EU-Töpfen nicht reinzukriegen und wird zu teuer.

Der britisch-irische Rahmenvertrag wird bekannt. Der protestantische Pfaffe und Oberscharfmacher Ian Paisley von der DUP und James Molyneaux von der gemäßigteren UUP wollen keine gesamtirische Behörde akzeptieren. Die Briten ziehen als Geste 400 Soldaten ab, achtzehn- von einst zweiundzwanzigtausend bleiben noch. Gerry Adams, Kopf der Sinn Fein, dem politschen Flügel der IRA, und bis vor einem halben Jahr noch eine Unperson, erklärt, gerne mit Major reden zu wollen.

1994: Der letzte der Guildford Four, Paul Hill, wird frei und für seine ungerechtfertigte Haft entschädigt. Drei Iren und eine Engländerin waren nach IRA-Anschlägen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Geständnisse waren erpreßt und manipuliert.

Gerry Adams, Kopf der Sinn Fein, dem politschen Flügel der IRA, und bis vor einem halben Jahr noch eine Unperson, erklärt, gerne mit Major reden zu wollen.

Bill Clinton, der seine Wurzeln an der nordirischen Grenze entdeckt hat – mütterlicherseits ist er irischer Abstammung – rächt sich an Major für dessen Wahlkampfunterstützung für Bush: entgegen jahrzehntelanger Politik des Schweigens und der Nichteinmischung amerikanischer Außenpolitik erhielt Adams 1994 ein US-Visum, 1995 empfängt er ihn in den USA, wo die IRA wegen der vielen irischen Auswanderer starken Rückhalt genießt. Adams darf künftig für »politische Zwecke« in den USA Geld sammeln. Die Clinton Regierung schmückt sich mit der Urheberschaft im Friedensprozeß.

Die IRA erklärt am ersten September einen einseitigen Waffenstillstand, die Protestanten folgen. Nach sechs Jahren ist eine »internationale Peinlichkeit« beendet (Michael Grade, Channel 4) und sind IRA-Mitglieder im britischen Funk und Fernsehen wieder zu hören. Ihre Reden hatten bis dahin nicht im Originalton gesendet werden dürfen, sondern waren von den Fernsehanstalten mit fremden Stimmen mit irischem Akzent unterlegt worden.

Königin Elisabeth besucht zwecks symbolträchtiger Einweihung einer Brücke über den Lagan, der das protestantische Ostbelfast mit dem katholischen Westen verbindet, ihre Untertanen in Ulster. Zuletzt hatte sie Nordirland 1953 besucht, ebenfalls zur Einweihung einer Brücke. Nur tausend Polizisten sorgen für Sicherheit.

1995: Das Irisch-Britische Gipfelgespräch zur Nordirlandfrage wird verschoben. Die Briten beharren darauf, dass die Republikaner erst an Verhandlungen teilnehmen können, wenn sie ihren Abrüstungswillen zumindest mit einer »Geste« unter Beweis gestellt und bestimmten Prinzipien zur Vernichtung ihres Waffenlagers zugestimmt haben. Die Sinn Fein dagegen will eine Waffenvernichtung nur als Teil ener stufenweisen »Gesamtdemilitarisierung«, also auch loyalistischer Gruppen und der britischen Armee akzeptieren. Alles andere gliche für sie einer Kapitulation.

Bill Clinton besucht Nordirland und verspricht finanzielle Hilfe.

Seit November 1990 ist der Präsident der Republik Irland eine Frau. Mary Robinson hat stets für das Recht auf Empfängnisverhütung, auf Ehescheidung, Homosexualität, Gleichstellung der Geschlechter und Abtreibung gestritten: alles Dinge, hinter die sich leider nicht jeder Ire wird stellen können. Obwohl der Präsident in Irland wie bei uns vorwiegend repräsentative Aufgaben erfüllt, kann die Wahl Frau Robinsons als Symbol für einen Neuanfang gewertet werden. 1992 wurde der Vertrag von Maastricht von 70% der Iren befürwortet, während ein neues Referendum für das Recht auf Abtreibung verworfen wurde. Inzwischen aber verlieren die konservativ-religiösen Kräfte im Land kräftig an Boden, was durch Skandale wie den um die Liebesaffäre des Bischofs von Galway, Eamonn Casey (bei Goldmann: A. Murphy, Peter de Rosa: Annie und der Bischof), und anderer gottgesandter Fachleute für sexuelle Fragen nur beschleunigt wird. Erst hatte sich der Priester Michael Carney vor Gericht zu verantworten, weil er einen achtzehnjährigen Anhalter belästigt hatte. Kurz darauf starb Pater Liam Cosgrave, 68, an den Folgen eines Herzinfarkts in einer bekannten Dubliner Schwulensauna, wobei ihm glücklicherweise zwei ebenfalls anwesende Gottesmänner die Sterbesakramente spenden konnten. Prominentester Übeltäter ist Pater Brendan Smyth, dessen Vorliebe für kleine Knaben seit vierzig Jahren aktenkundig, und dessen Auslieferung nach Nordirland auf Druck des katholischen Klerus erst verschleppt worden war. Im selben Maße aber, wie das Vertrauen in die katholische Kirche schwindet – so wurde mit einer denkbar knappen Mehrheit die Ehescheidung 1995 freigegeben – wird eine Annäherung an Positionen des alten Gegners England möglich. Die Religion verliert für den Konflikt zwischen irischen Nationalisten und Loyalisten an Bedeutung. Schon etabliert sich in der Republik Irland die gänzlich säkulare sozialdemokratische Labour Party als dritte Kraft neben den herkömmlichen Parteien Fianna Fail und Fine Gael, die sich bisher unangefochten um die Regierungsverantwortung gestritten hatten.

1996: Die IRA beendet mit einem Bombenattentat in den Londoner Docklands den Waffenstillstand, weil Major sich den Plan von Unionisten zu nordirischen Wahlen zu eigen machte, eine Provokation, die ein prostestantisch beherrsches Parlament zur Folge hätte. Das Ziel der irischen Einheit, einziger Existenzgrund der IRA, verbietet ihr die Beschickung eines Gremiums, das nicht das ganze Land repräsentiert.