Einleitung Irland
Zeitreise - Heimatland des Herzens
Irland verstehen
Viele Länder bereisen wir, und schließen sogar Freundschaften mit deren Bewohnern, ohne bezüglich der Geschichte des Landes über das Schulwissen wesentlich hinausgedrungen zu sein. In Irland ist das nicht möglich. Zu schwer ist die auf dem Land lastende geschichtliche Hypothek. Man begegnet ihr im ersten Pub, beim ersten Lied auch wenn sich seit den achtziger Jahren in manchen Bevölkerungsgruppen, besonders bei jungen Leuten, ein ausgeprägte Gedächtnisschwund bemerkbar macht. Dieses großartige Land, dessen Wildnis aussieht wie auf romantischen Stichen des vorigen Jahrhunderts, wird von Phantomen geplagt. Der Wind erzählt von den »schwimmenden Särgen«, auf denen die Landessöhne nach Amerika auswanderten, und eine Großmutter wird von ihrem Enkel dort berichten, der zurückkommen werde wie einst John Fitzgerald Kennedy. In jedem Iren steckt ein Dichter, denn anders wäre es nicht auszuhalten, dass man im 20. Jh. in eine Tragödie verstrickt ist, die im 15. Jh. begonnen hat: die Iren sublimieren ihr Schicksal.
Aber es handelt sich zugleich um eines der liebenswertesten, vergnüglichsten und warmherzigsten Völker Europas. Die Iren können über alles lachen nichts ist ihnen heilig: sie sind tiefgläubige, praktizierende Christen, aber nicht bigott. Als beispielsweise ein Pfarrer nach höchst heidnischen Bräuchen innerhalb seiner Gemeinde gefragt wurde man hatte in Vollmondnächten Milch und Eier für das »kleine Volk« (um zu wissen, was das ist, lese man Tolkiens »Herr der Ringe«, das aus der irischen Mythologie schöpft) bereitgestellt reagierte er mit Erstaunen. Wieso man eine solche Frage stelle, das Reich Gottes sei doch wahrlich groß genug, um auch Feen und Wichtel beherbergen zu können. Diese Duldsamkeit zeigt sich auch in einem anderen, höchst sensiblen Bereich, der Homosexualität. Obwohl von der Kirche verdammt, brauchen sich die Homosexuellen dennoch nicht zu entscheiden, ob sie ihrer Neigung im Verborgenen nachgehen oder sich von der Gesellschaft verbannen lassen wollen.
In diesem Land wo ein Priester lachend behaupten kann, die Madonna wende sich, wenn sie den Iren erscheine, nur stumm und unter Tränen oder Kopfschütteln an sie, denn sie wisse genau, dass sie bei diesem schwatzhaften Volk kein Wort dazwischenbekomme lernt man, optimistisch zu denken. Nach Hause wird man aus den verschiedenen Gegenden vielfältige Erinnerungen mitbringen, aber ein Stückchen seiner Seele wird man dafür in Irland zurücklassen. Egal, woher man stammt: Irland ist das Heimatland des Herzens.