Geschichte
Zur Geschichte der irischen Musik
Singing Pubs und politische Agitation
Musik ist im Leben der Iren allgegenwärtig. Die Menschen auf der Grünen Insel können auf eine lange Überlieferung zurückblicken. Die Lieder drückten teils Zukunftshoffnungen aus oder wurden teils bei Kundgebungen und Aufständen gesungen. Lieder, die von den Taten und dem Martyrium irischer Patrioten erzählten, verbreiteten sich in Windeseile in allen Teilen des Landes. Die Anhänger der Republik, welche die Befreiung ihrer Heimat auf ihre Fahnen geschrieben hatten, waren dabei besonders schöpferisch. Dieser ausgeprägten Neigung zur Musik, der Verbundenheit zwischen den Menschen, die durch diese gemeinsame Vorliebe erzeugt wird, und der wunderbaren Unbefangenheit der Iren beim Singen haben wir es zu verdanken, wenn so mancher Abend in einem Singing Pub zum unvergeßlichen Erlebnis wird. Die meisten Hits entstehen nämlich nicht auf dem Blatt, sondern während eines stimmungsvollen Kneipenabends ganz ungeplant. Sind die Melodien nur eingängig genug, so sind sie bald in aller Munde. Der berühmteste Fall ist wohl der sogenannte Helicopter Song, der nacherzählt, wie drei IRA-Führern mit Hilfe eines Hubschraubers auf Neudeutsch seit »Apocalypse Now«: »Helikopter«, was gleichzeitig den altbewährten Hubschrauber zum einem Spielzeug für Knaben degradiert die Flucht aus dem Mountjoy-Gefängnis gelang. Der Hubschrauber landete während des täglichen Ausgangs der Sträflinge im Hof und entführte sie auf Nimmerwiedersehen in die Lüfte. Noch am Abend desselben Tages besang ganz Dublin das Ereignis. Drei Tage später war das Lied bereits landesweites Allgemeingut.
Die irische Volksmusik war zwar nie ganz erloschen, aber in den sechziger Jahren erfuhr sie mächtigen Aufschwung, als eine Menge von Musikern aus Irland und Schottland sich in London ansiedelte. Christy Moore machte als erster den Satz über die Irische See, andere, wie Andy Irvine oder Donal Lunny folgten nach. Die erste Gruppe, die es in die britischen Charts schaffte, war Planxty, an der Wende der sechziger zu den siebziger Jahren. Dann kamen die Bothy Band und Clannad letztere übrigens die einzige Gruppe, die aus dieser Zeit übrigblieb auf. Beide entfernten sich weitreichend von der althergebrachten, »reinen« irischen Volksmusik. Inzwischen gibt es einen regen Wechsel von Gruppen, die sich bei Gelegenheit zusammenfinden und dann wieder auseinandergehen, und einzelnen Musikern. In ganz Irland finden in den Pubs Konzerte und spontane Sessions statt, aber in Dublin selbst wird man die besten Darbietungen zu hören bekommen. Auch wer nur ländliche Gegenden durchstreifen will, zwinge sich, ein paar Tage in Dublin auszuharren und sich die Abendzeitungen, wie Evening Press ein ziemliches Käseblatt, wartet aber mit einer ausführlichen Veranstaltungsliste auf zu besorgen. Die interessanteste Kneipe ist im Moment wohl Mother´s Redcap gleich neben der Christchurch. Eine Liste der Gruppen und Musiker, die gegenwärtig zu hören sind, würde Seiten füllen. Beschränken wir uns auf einige Hinweise, damit der Reiseführer nicht aus seinen Nähten platzt. Zur Zeit liegen die Frauen in der irischen Musik vorn: mit Sharon Shannon am Akkordeon, trotzt ihrer jungen Jahre schon eine der ganz Großen, und mit den Fallen Angels, fünf Frauen, die A Capella singen. Dazu kam dieses Jahr eine Neuentdeckung: Eleanor McEvoy, eine Sängerin, die zahlreiche Instrumente beherrscht und mühelos von klassischer zu rockiger Folkmusik hinüberwechselt, ohne je die Traditionen zu verleugnen. Die klassische Richtung wird noch immer vertreten von Mary Black und ihrer kleinen Schwester . Unbedingt auch mal hingehen zu »The Voice Squad«, einem Trio, das A Capella singt, und zu Fisherstreet, einer Musikgruppe aus der Grafschaft Clare, und schließlich zu einem hinreißenden Duo: Steve Cooney an der Gitarre und Seamus Begey mit dem Akkordeon. Sie spielen fast allabendlich in Dingle. Ein unvergeßliches Erlebnis: beim Zuhören glaubt man, es müßten zehn Leute auf der Bühne sein. Und dann gibt es noch Scharen unbekannter Musiker, die ebenfalls für einen gelungenen Abend gut sind. Zu guter Letzt sind zwei ausgezeichnete Platten auf den Markt gelangt: »The Long Long Note« von Deiseal, einer vorzüglichen Gruppe, die im alten Stil spielt, und »Angel Candles« von Maire Breatnach, einer Geigerin und Komponistin im klassisch-traditionellen Stil, die mit den Größten der irischen Volksmusik, wie Christy Moore und Mary Black, zusammenspielte.