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Moy und Fermanagh

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Moy

Gesicht eines norditalienischen Dorfes

Hübsches Straßendorf entlang einer breiten Main Street. Überall stehen Bäume und blühen Blumen. Lord Charlemont, der sich um das Nest bemühte, wollte ihm das Gesicht eines norditalienischen Dorfes verleihen. Insbesondere Marengo in der Lombardei hatte es dem Lord, der 1854 dort weilte, angetan, und so sollte auch Moy aussehen. »The Moy«, wie die Leute es heute noch oft nennen, richtete einen der größten Pferdemärkte Europas aus. Der französische Marschall Ney (man hat ihn von uns geklaut, da er aus Lothringen stammte) bezog von hier seine Tiere. In Moy verbringt man mit Sicherheit einen netten Abend.



Unterkunft und Kneipe

— Charlemont House: 4 The Square, T. 018687-84 755 oder 84 895. Das schönste Haus am Hauptplatz, errichtet 1760. Die Einrichtung mit antikem Mobiliar zeugt von gutem Geschmack. Salon, Treppe und Zimmer besitzen wirklich Ausstrahlung. Das Ganze zu nicht mehr als eine der gewöhnlichen B&B-Absteigen. Auf Wunsch auch Abendessen.

— Tommy´s Bar: The Square. Dieser liebenswerte Pub hallt sozusagen noch wider vom Gelächter und von den Flüchen der Roßhändler. Freundliche Bewirtung. Die Neo-Jugendstil-Bar datiert aus dem Jahre 1946. Drumherum einladende Lounges. An warmen Tagen kann man sich auch in einen der schönsten Biergärten, in den wir je unseren Fuß gesetzt haben, zurückziehen.



Fermanagh

Politisch eine harte Nuß

Die Seenplatte wird von mindestens fünfzig Seen gebildet, und die wiederum sind von rund 500 Inselchen gesprenkelt. Darauf eine Menge Klosterruinen, denn die Brüder suchten zugleich Abgeschiedenheit und ergiebige Fischgründe. Die Region hat ein frisches Grün. Wenig Fremde haben sie bisher entdeckt. Ein Netzwerk von Wegen lädt zu ausgedehnten Wanderungen ein. Wenn der Süden eines Tages allzu überlaufen sein sollte, werden die Touristen sicherlich zuerst hierher ausweichen.



Aus der Geschichte

Von Clones bis Ballyshannon war der Süden der Grafschaft Fermanagh durch die natürliche Sperre der Seen ganz gut geschützt. Nachdem der größte Teil der irischen Clanfürsten Anfang des 17. Jahrhunderts besiegt worden war und sich auf der großen Flight of the Earls 1607 gen Kontinent verdrückt hatte, machte England das Fermanagh zu einem der Mittelpunkte seiner Kolonisierungsbemühungen (Plantation), mit Enniskillen als Hauptstadt. Eine Hundertschaft von Schlössern sicherte die Grafschaft, die zu einer der Bastionen der Loyalisten erwuchs und sich der irischen Angriffe von 1641 und der Attacken des katholischen Königs Jakob II. 1689 heldenhaft erwehrte. Aber im Verlauf der Kämpfe der Land League und der Bodenreform im 19. Jh., die den katholischen Kleinbauern ihr Land zurückgab, vollzog das Fermanagh eine Kehrtwendung und wurde mehrheitlich wieder katholisch und republikanisch.

Zusammen mit Ulster erwies sich das Fermanagh nach der schmerzhaften Teilung Irlands 1922 politisch als harte Nuß für die englische Besatzung. Aus den Kommunalwahlen gingen die Nationalisten nach der Teilung siegreich hervor. Daraufhin schafften die Engländer die Verhältniswahl ab, führten das Klassenwahlrecht ein und zerschnippelten die Wahlbezirke dermaßen geschickt, dass die konservativen Loyalisten bis 1968 ihre Macht behielten. Man nannte letztere subtile Schliche »Gerrymandering«. Daraufhin setzten die Bürgerrechtsbewegungen das Wahlprinzip »One Man, One Vote« und die Abschaffung des »Gerrymandering« durch. Die politischen Repräsentanten des Fermanagh waren danach wieder mehrheitlich nationalistisch gesonnen (und nicht gesinnt«, was uns zu sehr an so komische Ehepaare erinnert).

Ausgerechnet der Wahlbezirk Fermanagh zusammen mit Süd-Tyrone wählte Bobby Sands von der Sinn Fein 1981 als Abgeordneten, als er mitten in seinem Hungerstreik steckte, mit dem er die Anerkennung als politischer Häftling erzwingen wollte. Nach Sands Tod wurde Owen Carron, sein Wahlkampfleiter, an seiner Stelle zum Deputierten gewählt. Dieser Erfolg der Sinn Fein wuchs zum einen auf dem emotionalen Klima der Zeit, gründete sich zum anderen aber auf der Tatsache, dass keine andere republikanisch ausgerichtete Partei einen Kandidaten aufstellte, der das Stimmvolk gespalten hätte. Die SDLP, Konkurrent der Sinn Fein, hielt es für klüger, weder gegen Sands noch gegen Carron anzutreten.