Wanderung
Zu Fuß von Portrush bis Cushendall (v. Michaela Roth)
Die Vorbereitungen
Ganz kurz ein paar allgemeine Bemerkungen vorweg. Wandern in Irland ist sicher eine lohnende Sache, sofern man von vornherein auf das Wetter eingestellt ist, denn täglich ist mit Regen zu rechnen. Ich war Ende Mai unterwegs und hatte großes Glück mit dem Wetter. Es regnete selten, war die meiste Zeit bewölkt, und manchmal brach auch die Sonne durch, was für Irland schon beachtlich ist. Die Temperaturen lagen so, dass ich mich gut im T-Shirt bewegen konnte, mir in den Pausen aber etwas überziehen mußte.
Als ich im Norden ankam, hatte ich noch keinen Plan über meine künftige Wanderstrecke. In Derry habe ich mich mit Karten und sonstigem Material eingedeckt. Zwei Kartenserien werden angeboten: im Maßstab 1.50.000 und 1:126.720. Letztere reicht vollkommen. Blatt 2 deckt den ganzen Teil meiner Wanderung ab; in der anderen Ausgabe hätte ich dafür zwei gebraucht. Die Karten belaufen sich alle auf knapp 6 Euro. Erhältlich in Buch- und Schreibwarenläden; allerdings sind nicht immer alle Blätter vorrätig.
Über den Ulster Way, einen Rundweg durch den ganzen Norden, existieren vielerlei Broschüren. So ist beim Northern Ireland Tourist Board eine mit Angabe von Übernachtungsmöglichkeiten erschienen. Das Buch »Walking the Ulster Way« von Alan Warner ist wenig informativ, so dass die Investition von 10 Euro kaum lohnt. Verheißungsvoll hört sich der Band »Ulster Walk Guide« von Richard Rogers an, der allerdings nicht aufzutreiben war. Vielleicht ist dies eine gute Beschreibung mit Karten, die dringend nötig wären.
Der Ulster Way ist markiert, nach meiner Erfahrung aber nicht durchgehend. Sicher wird sich das ändern oder verbessern, wenn sich die politische Lage über längere Zeit gefestigt hat und der Fremdenverkehr auch diesen Teil Irlands erfassen wird.
Ausgangspunkt meiner Wanderung war Portrush, ein in der Saison furchtbares Touristenkaff. In der Vorsaisaon tummeln sich die Touristen hier allerdings nur am Wochenende, so dass es unter der Woche erträglich ist. Die Hauptstraße sieht dementsprechend aus: Spielbuden und Kitschläden reihen sich Tür an Tür. Empfehlenswert ist das Pub Derry mit Livemusik am Wochenende. Publikum: Studenten, die aber in Großbritannien wesentlich jünger als hierzulande sind.
Beginn der Wanderung
Kaum eine Menschenseele
Meine Wanderung beginnt am herrlich weißen Sandstrand von Portrush mit seiner weitläufigen, sachte ins Meer abfallender Küste. Traumhaft, wenn die Temperaturen stimmen. Bis zu den »White Rocks«, die steil ins Meer fallen und an zwei Stellen einen Torbogen bilden (überall als Postkarte erhältlich), geht´s bequem am Wasser entlang. Kurz vor den weißen Felsen biegt der Weg von Strand ab, ein Stück an der Straße entlang (Abzweigung nach Bushmills rechts liegen lassen) bis Dunluce Castle. Bis hierher sind es ungefähr fünf Kilometer oder eine gute Stunde Marsch. Dunluce ist eigentlich das einzige Castle dort oben, das diesen Namen auch verdient. Eine guterhaltene Anlage, unmittelbar am Rand der Klippen. So direkt, dass ein Teil der Festung (genauer gesagt: die Küche) mitsamt Unterbau einmal ins Wasser gefallen ist. Rechts neben der Feste führt ein steiler Weg hinunter zum Wasser. An einer Stelle ist der Felsen unterspült, so dass sich ein imposanter Ausblick auf die See ergibt. Der ganze Spaß kostet übrigens 2,50 Euro Eintritt, lohnt aber, zumal man auch ein paar Dias plus Informationen vorgespielt bekommt. Ein kleiner Härtetest für alle, deren Schulenglisch schon etwas verstaubt ist!
Ich bin dann weiter der Straße gefolgt, glücklich, immer wieder mal Markierungen (Ulster Way) gefunden zu haben. Ein kurzes Glück, wie ich bald merkte, denn auf der ganzen Wanderung waren es die einzigen, die ich gesehen habe. In Port Ballintrae ein Blick auf die Karte und kurze Info von einer Einheimischen: es führt ein Weg am Strand entlang und am Bach dann rechts zum Giants Causeway. Kaum Menschen unterwegs; erst in Sichtweite des Causewayheads bevölkert es sich wieder, und zwar kräftig. Einen kurzen Blick ins Touristcentre: neben Souveniers und Imbissen gibt´s auch eine sehenswerte Dauerausstellung über die Geschichte des Giants Causeway, Fauna, Flora sowie über weitere Sehenswürdigkeiten an diesem Küstenstreifen. Kostenlos; unbedingt ansehen, vorausgesetzt sie ist nicht überfüllt.
Bis zu den Basaltsäulen selbst sind es nur ein paar Minuten. Falls sich Dekadenz oder Alter bemerkbar machen, können sie auch mit dem Bus zurückgelegt werden. Auf den ersten, gut zugänglichen Stellen tummeln sich Touristen. Auch ich klettere dort umher und mache ein paar Fotos. Durch mein Studium vorbelastet, überlege ich mir, welche Teilchen im Basalt welche Gitterplätze belegen oder freilassen und wie das in Zusammenhang mit der sechseckigen Form zu bringen ist. Da meine Kenntnisse nicht allzu groß sind, komme ich dabei aber nicht sehr weit.
Wie überall auf Tafeln angezeigt ist, gibt es zwei Wege, um von hier aus an der Küste weiter gen Osten zu gelangen. Da der auf halber Höhe der Klippen gesperrt ist, steige ich wieder »on top of the fences« und wandere oben entlang. Wunderbarer Blick entlang der Küste: die schwarzen, steil abbrechenden Felsen des Giants Causeways, weiter weg dann der weiße Strand von Portrush und ganz in der Ferne, dunstumhüllt, die Berge von Donegal. Zirca zwei Stunden vergehen bis Dunseverick Castle. Unterwegs kommen mir vielleicht drei Wanderer entgegen. Ansonsten sind Möven, die ihre Runden ziehen und wohl irgendwo in den Felsen unter mir nisten, meine Begleiter. Überall ist die Säulenstruktur des Gesteins zu erkennen. Stellenweise hat die Witterung aber schon gute Arbeit geleistet.
Dunseverick Castle: fast unscheinbar erheben sich zwei Mauerreste in der Landschaft. Die Informationstafel des National Trusts verrät, dass es einmal gewisse Bedeutung gehabt haben muß. Ich strenge mein Vorstellungsvermögen an und glaube es den Leuten. Schließlich heißt »trust« so etwas wie vertrauen.
Weiter entlang der Straße, ein bißchen ins Landesinnere. Nebenbei bemerkt: Straße heißt, dass dort alle halbe Stunde mal ein Auto vorbeirollt. Es ist daher keineswegs unangenehm, an eben dieser entlangzupilgern. Ich verliere also die Küste eine Weile aus den Augen, bis sich mir nach einer halben Stunde der Blick auf White Park Bay eröffnet. Eine herrliche wer hätte es gedacht weiße Bucht, malerisch gelegen. Auf halber Höhe am Hang die Jugendherberge. In Ermangelung eines Supermarktes kaufe ich mir an der Tankstelle eine Fertigsuppe und ein paar Kekse und marschiere hinunter zur Herberge. Sehr freundlicher Host. Die Herberge ist gut besetzt, aber längst nicht voll. Egal, denn ich hatte ohnehin vorbestellt.
Ich löffle in Ruhe meine Suppe, setze mich an das große Fenster mit Blick über die Bucht und werfe noch einen Blick auf meine Karte und die Wegbeschreibung des Ulster Ways. Die Nacht schlafe ich weniger gut, da die Betten ziemlich quietschen und der Schlafsaal sehr hellhörig ist.