Derry
Derry (Vorwahl 01504)
Politisches Pulverfass
Auf britischen Karten liest man in der Regel Londonderry, wobei der Zusatz »London« natürlich eine Demütigung für die Iren bedeutet. Dies also in ihrer Gegenwart beachten. In Friedenszeiten wirkt die Hafenstadt ausgesprochen reizvoll. Ein Bummel durch die malerische, von einer Festung überragten Altstadt wird zu einem wahrhaft romantischen Erlebnis. Der Name der Stadt rührt übrigens vom Gälischen »daire«, einem Eichenhain.
Bei einem Streifzug durch Derry kommt eigentlich niemand umhin, sich ein wenig mit der besonderen politischen Lage Nordirlands vertraut zu machen und das Gespräch mit den Einheimischen zu suchen. Jeder wird sehen, die Bewohner von Bogside und Creggan sind wirklich entgegenkommend und offenherzig. Der Kampf gegen die Unterdrückung, der sich nun schon über mehrere Jahrhunderte hinzieht, hat sie zu einer brüderlichen Gemeinschaft zusammengeschweißt. Gern sind sie bereit, Fremde an ihren Diskussionen, die überall in den Pubs abgehalten werden, teilhaben zu lassen und auch mal ein Lied mit ihnen zusammen anzustimmen. Wer ihren Problemen Gehör schenkt, wird bald unvergeßliche Momente der Freundschaft und menschlichen Wärme erleben.
Donnerstags, freitags und samstags dröhnt aus den Pubs von Bogside Musik von Rockkonzerten und anderen Musiksessions. Die heißen Rhythmen lassen die jungen Iren für kurze Zeit die bitteren Probleme wie Arbeitslosigkeit, soziale Benachteiligung und britische Vorherrschaft vergessen.
Das Gesicht der Stadt hat sich in der letzten Zeit verändert. Die grauenhaften Rossville Flats, eine Hochhaussiedlung im Stil »Kaninchenpferch« und Symbol englischen Städtebaus, ist niedergerissen worden. Man besinnt sich ganz bewußt auf das kulturelle Erbe. Unlängst hat man eine russische Theatertruppe eingeladen, die das Stück »Gaudeamus!« spielte.