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Nordufer, Teil zwei

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Nordufer, Teil zwei

Weiter auf den Spuren eds Osteraufstandes

— Moore Street: die Seitenstraße der Henry Street und Parallelstraße der O´Connell Street (Plan B4) ist Schauplatz geschäftigen Markttreibens, wo mit Sicherheit die echte Dubliner Mundart hören zu hören ist. Die »Molly Malones«, jene rührigen, runden Marktfrauen mit ihren von Orangen und anderen Leckereien überquellenden Kinderwagen, sind schon fast eine Institution. Zahlreiche irische Schriftsteller zieht es hierher, weniger zum Einkaufen als auf der Suche nach Romanfiguren und Milieustudien. Um nochmal auf den Osteraufstand von 1916 zurückzukommen: die Händler nahmen den Aufständischen, die sich im nahegelegenen Postamt verschanzt hatten, ihre Aktion ausgesprochen übel, brachte sie doch das blühende Geschäft vollständig zum Erliegen. Gegenwärtig ist die Straße, ebenso wie das gesamte Viertel, stark von Modernisierungsmaßnahmen betroffen. So wirkt beispielsweise der neue Ladenkomplex ILIAC in der Umgebung der alten viktorianischen Backsteinbauten wie ein abstruser, störender Fremdkörper. Also hin und sich nochmal an den hübschen Fassaden freuen, bevor es eines schönen Tages zu spät ist.

— Custom House: am Ufer des River Liffey, nahe Connolly-Bahnhof (Plan B5). Das 1791 von James Grandon errichtete Zollhaus ist der Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. Seinerzeit galt es als architektonisches Juwel, ja, viele Dubliner erklärten es zum schönsten Gebäude ihrer Stadt. Blickfang des palastartigen Baus ist das elegante, von dorischen Säulen umrahmte Hauptportal. Die Fassade zeigt symbolische Verkörperungen des Atlantiks und der dreizehn irischen Flüsse.

— Ein Rundgang am Nordufer: wie jeder gesehen hat, ist der Nordteil Dublins verglichen mit dem Südufer verhältnismäßig arm an architektonischen und kunstgeschichtlichen Besonderheiten. Obwohl die Bulldozer unermüdlich zugange sind, lassen sich im Stadtbild noch genügend Überreste vergangener Tage entdecken. Wie wär´s mit einem Bummel durch »Bloomsland« rund um den Parnell Square (Plan A3-4), jene Gegend, in der James Joyce seine Helden ansiedelte? Am meisten hat natürlich davon, wer sich dabei den »Ulysses« unter den Arm klemmt. Mit minutiöser Genauigkeit beschreibt der Autor den Tagesablauf seiner Figur Leopold Bloom. Sämtliche darin vorkommenden Schauplätze Dublins sind echt. James Joyce behauptete sogar mal: »Falls Dublin je von der Erdoberfläche verschwinden sollte, könnte man es nach meinem Buch genau so wieder aufbauen, wie es war.« An langen Winterabenden zurück zu Hause brauchen wir uns nur in Joyces Wälzer zu vertiefen, und prompt wird die Stadt vor unseren Augen wieder lebendig. Auch wenn Verleumder ihr Spröde vorwerfen und behaupten, es begegne einem dort »nicht eine Blume, kein einziger Grashalm, kaum je ein Hund oder ein Vogel auf einem der Friedhöfe« ... Apropos, der 16. Juni ist »Bloom´s Day«: die Dubliner erwecken den »Ulysses« zum Leben, indem sie den Weg seiner Romanhelden Bloom und Dedalus in Dublin nachverfolgen. Dazu gibt es Vorträge, Konferenzen, Theaterstücke, Führungen und vieles andere.

Der Parnell Square umrahmt den Garden of Remembrance, Eingang an der Ostseite des Platzes. Darin eine Bronzeplastik, mit der aller Iren gedacht werden soll, die für ihre Heimat ihr Leben ließen. Die ansehnlichen georgianischen Fassaden, hinter denen sich heute hauptsächlich Büros verbergen, verleihen dem Platz eine gewisse Eleganz. An ihm liegen auch das Städtische Museum für Moderne Kunst und das neue Literaturmuseum. Das 1750 entstandene Rotunda Hospital an der Südseite, in dem das erste Entbindungsheim Europas eingerichtet war, verdankt seinen Namen dem später angeschlossenen Rundbau. Hierin wurden Wohltätigkeitsveranstaltungen inszeniert, durch deren Erlös sich das Hospital finanzierte. Heute befindet sich darin ein Kino. Daneben liegt das Gate Theatre.

Im 18. Jh. war das gesamte Viertel Aushängeschild der anglo-irischen Ascendancy. Heute fasziniert es durch das bizarre Nebeneinander von Ruinen, unbebauten verwilderten Flächen, heruntergekommenen Slums und eleganten Villen. Einige Straßenzüge haben sich trotz der Modernisierungsarbeiten ihr uriges Flair aus längst vergangenen Zeiten bewahrt, so etwa die Upper Gardiner Street, der Gardiner Place und der Mountjoy Square, in dessen Nähe die Jugendherberge liegt. Der Rundgang endet schließlich an der Henrietta Street, jahrelang als Flanierstraße der Reichen, bis im Jahre 1800 die Unabhängigkeit des irischen Parlaments aufgehoben wurde, wodurch für zahlreiche Vertreter der Oberschicht London in den Mittelpunkt des Interesses rückte. An der Great Danemark Street erhebt sich das Belvedere House, jene Jesuitenschule, zu deren Zöglingen James Joyce gehörte.