Riten
Das mystische Recife
Spontane Zeremonien
In Recife erwarten uns die reinsten und ursprünglichsten afro-brasilianischen Riten. In den Terreiros (Tempeln, Pfarreien) wird der Xangô praktiziert, Äquivalent zum salvadorianischen Candomblé in Bahia. Der Xangô ist ein, dramatische und mysterienhafte Elemente in sich vereinender, Kult von außergewöhnlicher Schönheit. Zahlreiche Veranstaltungen im April, August und September belegen dies. Da es Hunderte von Terreiros gibt, kann man sich die Zahl der abgewandelten Riten vorstellen. Eine solche Nuance heißt z.B. Tendas de umbanda. Wir meinen, die Zeremonien in Recife sind aufgrund ihrer Spontaneität und des aufwendigen Drumherums die sehenswertesten überhaupt. Wer seinen Aufenthalt dort um Mitte Juli plant, sollte einen der Süßwassergöttin Oxum gewidmeten Kultabend miterleben und einem Toque (öffentliche Zeremonie) beiwohnen. Letztere spielen sich in den entlegenen Vorstadtvierteln ab. Man sollte keine Minute zögern, an einem solchen Abend teilzunehmen, obwohl man dort wahrscheinlich der einzige Ausländer sein wird. Uhrzeit, Ort und Datum sind der Presse und den Broschüren des Fremdenverkehrsamtes zu entnehmen.
Oxum: die geehrte Göttin
In einem solchen Terreiro angekommen, stellt man sich zuerst dem Pai de Santo (Heiligenvater) vor, der einen unter Umständen die Kapellchen mit den Opferstöcken anschauen läßt. Die Feier zu Ehren der Göttin Oxum findet in einem weitläufigen, ganz in Gelb gehaltenen Saal statt. Blumen und Opfergaben sind ebenfalls gelb die Farbe der Göttin. Die Zeremonie beginnt um 20 Uhr und zieht sich manchmal bis 2 Uhr morgens hin. Ein aus drei Trommlern bestehendes Orchester untermalt die verschiedenen Phasen in schillernden Klangfarben. Die Gesänge werden in afrikanischer Sprache dargeboten. Nach den Tänzen und Figuren, welche die bösen Geister vertreiben sollen, folgen sich abwechselnde Einsätze von Pai de Santo und den Chorsängern. Hierbei treten die tranceartigen Zustände von Besessenheit mit ständig steigender Spannung auf, und die Dramatik wird durch Trommelwirbel noch verstärkt. Zwangsläufig bemerkt der Zuschauer und -hörer, dass die zu Beginn wahrgenommenen, sich scheinbar nur wiederholende Musik von großer Themen- und Rhythmenvielfalt ist. Sobald ein »Besessener« (oder eine Besessene) sich der Trance zu intensiv hingibt, wird er oder sie von Freunden und Mittänzern umkreist und wieder besänftigt.
In solchen Momenten zeigt sich der außergewöhnliche innere Zusammenhalt jener sozialen Gruppe, die einen Terreiro ausmacht. Man sollte nach Beendigung der Zeremonie noch etwas Geduld aufbringen und das eigentliche Ende, einen weiteren Höhepunkt, abwarten. Die ganze Gesellschaft begibt sich, teilweise im Bus, teilweise im Auto oder Lastwagen, an einen weit außerhalb gelegenen Ort mitten in der Natur, um einem Fluß und somit der Wassergöttin die Opfergaben darzubieten. Die »Besessenen« stürzen sich in einem Begeisterungstaumel ins Wasser und besprengen sich gegenseitig mit dem geweihtem Naß, während Körbe voller Blumen und Früchte unter dem Geböller von Feuerwerkskörpern, bei Raketenlärm und Freudengeschrei, der Strömung überlassen werden. Es ergeben sich einzigartige Momente voller Emotionsgeladenheit und Authentizität; Fotografieren ist nicht gestattet. Die Adressen entnimmt man der örtlichen Zeitung; hier sei nur eine genannt:
Terreiro de Candomblé: in Torre (20 km von Recife), Praça de Torre. Dorthin nimmt man den Bus »Torre« vor dem Postamt in Recife. Normalerweise steigen die Kultmessen freitag- oder samstagabends.