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Musik

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Musik: ein Lebensgefühl

Rhythmus im Blut

Noten mit Leidenschaft

Zu den eindrucksvollsten Erinnerungen eines Brasilien-Aufenthalts zählt sicher die Entdeckung brasilianischer Musikarten wie Samba, Bossa Nova, Frevo usw. Musik gehört hier zum Lebensgefühl, zur Lebenskunst. Sie kommt aus der Erde, ist überall präsent. Wir kennen nur wenige Länder, in denen Musik einen solchen Stellenwert einnimmt und wo Menschen eine solch sinnliche Beziehung zu ihr pflegen. Mit der Sanftheit und Sinnlichkeit der portugiesischen Sprache ist sie eine glückliche und gelungene Verbindung eingegangen. Die Worte allein sind schon Musik. Hier die Meinung eines Kollegen in einer Tourismus- und Freizeitzeitschrift: »Sobald ein Brasilianer das schlichte Wort Brasil ausspricht, ist das, als wenn man eine reife Frucht geschenkt bekommt und den Saft in die Mundwinkel rinnen spürt. Und erst Saudade, dieses unübersetzbare, universelle, atmosphärische Wort, das die Seele eines ganzen Volkes enthält? Man denkt unwillkürlich an Nostalgie und Seelenschmerz, läßt aber dabei dieses subtile Gefühl der Freude außer acht, auf jemanden oder etwas verzichten zu müssen, den oder das man vielleicht eines Tages wiedersehen wird.« Eine Aufzählung aller aus dieser Fusion hervorgegangenen außergewöhnlichen Sänger und Sängerinnen erscheint hier unmöglich. Jeder von ihnen würde eine ganze Seite für sich beanspruchen. Am besten erlebt man sie alle mal irgendwie, genießt Unterschiede und kompositorische Vielfalt, die sie zu bieten haben. Ein regelrechtes Schlüsselerlebnis ... Da wäre zum Beispiel Caetano Veloso. Er gründete in den sechziger Jahren zusammen mit Gal Costa, Gilberto Gil, seiner Schwester Maria Bethania und anderen die »tropikalistische Bewegung« (eine moderne Bewegung der Synthese von Rockmusik und Bossa Nova, mit einem Hauch Surrealismus, welche der brasilianischen Musik erst ihren richtigen Platz gab). Caetano, der sensible, spontane, großherzige Poet, verzaubert mit seinen Worten und begeistert sein Publikum, das alle Lieder auswendig kennt und mitsingt; Gal Costa, die bekannte, beliebte Interpretin fröhlicher und optimistischer Lieder – manchem vielleicht eine Spur zu kommerziell. Gilberto Gil verkörpert nach wie vor die gelungene Mischung aus erlesenem, anspruchsvollem Geschmack und neuen Musikrichtungen. Chico Buarque, vielleicht der begabteste unter ihnen, könnte man als Literaten bezeichnen. Man sieht ihn selten auf der Bühne; er schreibt lieber Chansons, Filmmusik (»Dona Flor und ihre zwei Ehemänner«, Brasilien 1967) und wagt sich sogar in den Bereich der Oper. Unter der Militärdiktatur glänzte er als König der Metapher und in seinen Werken tritt er als Interpret weiblicher Sensibilität hervor.

Spätestens nach zwei Liedern schafft es Joâo Bosco allein mit seiner Gitarre, viertausend Leute auf die Beine zu bringen. Der Sänger Milton Nascimento erweckt alte Melodien aus ihrem Dornröschenschlaf, ist dabei aber sehr kreativ und erfindet neue musikalische Ausdrucksformen. Seine Stimme setzt er wie ein Musikinstrument ein. Nascimentos Kompositionen verkörpern bisweilen die Ängste eines zwiespältigen Menschen, dessen Wurzeln sowohl in Afrika als auch in Brasilien zu finden sind – die Vergangenheit und die Welt von morgen. Eine ungemein kraftvolle, von Modeströmungen unabhängige Musik, wovon man sich bei seinen Platten »Sentinela«, »Clube do Esquina«, »Milagre dos Peixes« oder »Ao vivo« überzeugen kann.

Zu guter Letzt noch ein paar musikalische Tipps (als Schallplatte, MC oder CD u.a. erhältlich bei TFM in Frankfurt/M., s. »Nützliche Adressen / Vermischtes): Vicinius de Morâes (Vater der unsterblichen Garota de Ipanema), die verrückten Sambas von Clara Nunes, die aufbegehrenden Schreie von Elis Regina und schließlich Djavan, der »Stevie Wonder des Nordeste«. Und mindestens eine Platte von Cartola sollte man im Rucksack mitbringen, dem vielleicht begabtesten Samba-Komponisten. Er fristete sein Dasein lange Zeit bettelarm in der Favela de Mangueira, schrieb eine einfache, aber wunderschön melodiöse Musik für Samba-Schulen.