Lapa / Santa Teresa
LAPA
Arbeitsviertel und Prostituiertengegend
Alte Gemäuer vs. modernes Nightlife
Nach unserem Dafürhalten eines der malerischsten Viertel Rios, auch wenn hier die Planierraupen selten stillstehen und sich die Physiognomie der Straßenzüge von einem Jahr aufs andere Jahr verändert. Lapas Eigenschaft als Arbeiterviertel und sein mieser Ruf als Zech- und Prostituiertengegend sind ihm jedoch erhalten geblieben. Die Rua da Lapa, welche am Largo da Lapa ihren Anfang nimmt und bei der Rua da Glória endet, säumen fotogene Häuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert mit Arkadentüren, reichverzierten blauen, grünen und orangenfarbenen Fassaden und schmiedeisernen Balkonen. Am anderen Ende erhebt sich die mit Azulejos blauen Fayence-Kacheln portugiesischer Herkunft verkleidete Kirche N.S. da Lapa. Heute präsentiert sich das Aqueduto (Aquädukt) da Carioca mutterseelenallein auf den sanierungsbedingt brachliegenden Grundstücken. Abends füllt sich die Gegend jedoch dank der Transvestitenballette, der Voyeure und der im blassen Licht der historischen Straßenlaternen Umherirrenden mit Leben. Die Avenida Mem de Sá bleibt ihrem Ruf als Lieferantin verschiedenster Vergnügen treu: schmutzige Kabaretts, Bars, spät schließende Restaurants, anrüchige Hotels ... Das Ganze ist Anziehungspunkt für ein merkwürdiges Gemenge aus kleinen Ganoven, Spielernaturen, Transvestiten, erbärmlichen Zuhältern, frustrierten Bürgern und abenteuerlustigen Touristen. Alt-Lapa verströmt trotz des Einfalls von Baulöwen und Grundstücksspekulanten weiterhin eine ganz eigene Poesie.
Die von der Praça Joao Pessoa aus ansteigende Rua Francisco Muratori, Seitenstraße der Avenida Mem de Sá, wird von stattlichen Steingebäuden gesäumt. Abends schnappen die Bewohner draußen vor der Tür frische Luft. Das gesamte alte Lapa-Viertel besteht aus gepflasterten Gäßchen und reizvollen Treppchen, flankiert von halb verfallenen Baracken, in denen eine ärmliche Bevölkerung ihr Dasein fristet. Durchquert man das Viertel, stößt man auf die Kirche Ladeira da Santa Teresa und auf das gleichnamige Quartier. Von einem nächtlichen Besuch möchten wir aus Sicherheitsgründen allerdings abraten.
Catedral Metropolitana: Av. República do Chile 245. Dieses monströse Bauwerk in Form eines Kamins, zwischen 1964 und 1976 erbaut, wäre in Brasilia vielleicht passender gewesen. Bestensfalls etwas für alle Freude von moderner, dekadenter Architektur; unser Fall ist es nicht gerade. Dennoch ein paar Zahlen: die Kathedrale mißt 83 m in der Höhe, der innere Durchmesser beträgt 96 m, und 25.000 Gläubige finden darin Platz. Lediglich die vier wundervollen Kirchenfenster hoch oben sind von Interesse. Sie symbolisieren jeweils die allein seligmachende (grün), die heilige (rot), die katholische (blau) und apostolische Kirche (gelb). Von 8 bis 16 Uhr und samstagmorgens. Messe sonntags um 10 Uhr.
Bonde: pittoreske Straßenbahn, die über das Aquädukt von Carioca rattert. In der Nähe der Av. República do Chile, U-Bahn-Station Carioca, zusteigen. Die Bonde verbindet Rios Stadtmitte mit dem Viertel Santa Teresa. Um dahin zu gelangen, sollte man auf jeden Fall einmal dieses altertümliche Verkehrsmittel benutzen.
Das Aquädukt (Aqueduto da Carioca) wurde 1750 errichtet; man nennt es auch »Arcos« (bras. »Bögen«). Mit seinen eleganten doppelreihigen Arkaden erinnert es eher an ein römisches Bauwerk. Vor 1896 diente es zur Kanalisierung des Wassers aus dem Rio da Carioca, danach als Viadukt für die Bonde. Von dort oben überblickt man einen beträchtlichen Teil der Stadt. Ruhig die Bonde benutzen, aber um Himmels Willen keine Kostbarkeiten mitführen. Es kommt immer wieder vor, dass sich ein paar gelenkige Jungs an die Wagen festklammern, die Taschen der Touristen ausräumen und dann während der Fahrt abspringen. Wenn wir nichts mit uns herumtragen, besteht überhaupt keine Gefahr.
SANTA TERESA
Hier nun ein Viertel, das uns ans Herz gewachsen ist: Hügel mit Villen in bisweilen ungewöhnlichem Stil, gepflasterte, zauberhaft ruhige Gassen nahezu ohne Autos, Treppchen, die zu abgelegenen Gärten führen. Die Bevölkerung setzt sich denn auch aus Künstlern, Lehrern, Ärzten, Rechtsanwälten und Lebenskünstlern zusammen ... Um nach Santa Teresa zu gelangen, nimmt man die Bonde (s. Lapa).
Museu Chácara do Céu: Rua Murtinho Nobre 93, Tel. 224-89-81. Besichtigungen mittwochs bis sonntags in der Zeit von 12 bis 17 Uhr. Montags und dienstags geschlossen. Man gelangt über die linke Auffahrt hin (bis nach hinten durchfahren). Die Schenkung des Mäzenen Raymundo Ottoni da Castro Maya ist in einer traumhaften Villa untergebracht, so dass Besucher das Gefühl haben, sich in einem Privathaus aufzuhalten. Unter den Ausstellungsstücken Werke namhafter brasilianischer Künstler: darunter Visconti und besonders Portinari. Aber auch Gemälde von Matisse, Dalí, Vlaminck, Picasso und Monet sind hier vertreten. In der Bibliothek stößt der Literaturfreund auf die gesammelten Werke des französischen Schriftstellers André Gide. Im Treppenraum zwei prachtvolle Gemälde Portinaris und, im Raum nebenan, die Don-Quixote-Reihe aus einundzwanzig Bildern, die durch ihre lebhaften Farben bestechen. Weiter läßt sich raffiniertes Mobiliar aus dem 17. und 19. Jahrhundert sowie eine kleine Sammlung asiatischer Kunst bewundern: etwa Keramikgeschirr und Skulpturen aus der Tang-, Song- und Ming-Zeit. Wir raten nach soviel Kunstgenuß zu einem »Verdauungsspaziergang« durch den Garten: äußerst erholsam, verbunden mit einem einzigartigen Panorama von Rio. Dieser Museumsbesuch ist also unerläßlich. Alles klar?