Machen wir ein Buch?

Reise, Sachbuch, Belletristik ...?
Alle interessanten Themen;
alles was bewegt.

Hier geht´s weiter!

Rio de Janeiro

Body: 

Schockerlebnis Rio de Janeiro

Stadt der Gegensätze

Verrückt aber zauberhaft

Rio de Janeiro (Vorwahl: 021)

Hat man das Glück, bei der Landung in Rio einen günstigen Fensterplatz im Flugzeug zu erwischen, wird einem sofort klar, was die Schönheit von Rio ausmacht und weshalb sie alle Erwartungen übertrifft. Keine andere Stadt der Welt kann eine solche Vielfalt an Buchten, wunderschönen Stränden und dabei derart anarchische geographische Strukturen vorweisen. Schuld daran haben die Morros! Ganze Stadtviertel mit magischen Namen haben sich um diese zuckerhutförmigen Hügel gebildet: Maracana, Tijuca, Santa Teresa, Botafogo, Copacabana, Ipanema, Leblon usw. Jedes dieser Viertel trägt sein eigenes, unverwechselbares Gesicht, welches plötzlich am Ende einer Straße oder eines der unzähligen, durch die Morros gebohrten Tunnels auftaucht.

Nach dem physischen Schockerlebnis kommt das der Sinne; man wird in Rio nämlich ständig auf die Probe gestellt, herausgefordert von einer der verrücktesten gesellschaftlichen und kulturellen Lebensformen auf unserem Planeten. Lärm, Raserei, selbstmörderischer Rhythmus in der Innenstadt, pulsierende Arbeiterviertel, loderndes Maracana-Stadion, regelmäßig Treffpunkt für zweihunderttausend tobende Fußballfans, malerische alte Kolonialstraßen in Santa Teresa und Botafogo, Sinnlichkeit und Klassenkonflikte an den Stränden von Copacabana, Ipanema und Leblon, mitleiderregende Favelas, die sich mit dem Mut der Verzweiflung an ihre Morros klammern, ausufernde, gierig die Villen aus den dreißiger Jahren verschlingende neue Viertel – das alles unter Dauerberieselung in Gestalt einer betörenden, elektrisierenden, allgegenwärtigen Musik und unter dem Eindruck der legendären, freundlichen Unbekümmertheit der Cariocas. Rio eine Stadt der Gegensätze zu nennen, wäre einfach maßlos untertrieben. Es erscheint unmöglich, sämtliche Facetten und Möglichkeiten dieser zugleich wunderbaren und von Gegensätzen zwischen Arm und Reich zerrissenen Metropole aufzuzählen.

Rio erholte sich nie wirklich davon, seine Hauptstadtfunktion an Brasília verloren zu haben. Selbst das kulturelle Leben entgleitet ihm zunehmend zugunsten Sâo Paulos, wo die geballte Wirtschaftsmacht, Geld, Universität und Studenten zu Hause sind. Dennoch: Rio ist und bleibt einen längeren Aufenthalt wert. Nach wie vor gelingt es der heimlichen Hauptstadt Brasiliens nämlich – mit ihrer arg strapazierten, aber immer noch faszinierenden Fähigkeit, Widersprüche zu vereinen und sehnsuchtsvoll lächelnd an die Vergangenheit anzuknüpfen – den Neid ihrer Konkurrenten Sâo Paulo und Belo Horizonte zu wecken. Für Fremde hat die Stadt am Zuckerhut kaum an Anziehungskraft verloren, auch wenn das Klima härter geworden ist und die Kriminalität ungwohnte Ausmaße angenommen hat.

Geschitlicher Rückblick

Die Portugiesen stießen zwar erstmals am 1. Januar 1502 auf Rio und wähnten sich als Entdecker eines majestätischen Flusses – daher die Bezeichnung Rio de Janeiro (Januarfluß) – richtig besiedelt indes wurde die Gegend erst 1555 von den Franzosen. Allerdings nur für kurze Zeit, denn sie wurden einige Jahre später wieder von den Portugiesen vertrieben. Durch den Handel mit Zuckerrohr gelangte die kleine Stadt schnell zu wirtschaftlicher Blüte, vor allem aber auch mit der Entdeckung von Goldvorkommen in Minas Gerais im 18. Jh.. Die Exiljahre des portugiesischen Königs ab 1808 – der schlug gemeinsam mit seinem Hofstaat seine Zelte in der Kolonie Brasilien auf, als napoleonische Truppen in Portugal einmarschierten – bewirkten eine nachhaltige Öffnung in Richtung Europa. Zu Beginn des 20. Jhs. prägten umfassende, großangelegte städtebauliche Maßnahmen das heutige Gesicht Rios: breite Avenuen wurden angelegt, ganze Morros plattgemacht. In den dreißiger Jahren erlebte die Bucht von Copacabana einschneidende Veränderungen, als Hochhäuser die prächtigen Villen ablösten und der dem Meer abgerungene Strand immer weiter ausgebaut wurde. Rio befindet sich in ständiger Bewegung und dehnt sich unaufhörlich gen Süden aus. Abschied nehmen heißt es von liebgewordenen Klischees: die Copacabana gilt heute im Vergleich zu Ipanema und Leblon, ihrerseits längst von der Ausdehnung der Praia da Barra de Tijuca bedroht, als betagte Dame.

Wann nach Rio reisen?

Das ganze Jahr über herrscht in Rio ein für Europäer angenehmes bis erträgliches Tropenklima. Die Monate Juni, Juli und August entsprechen dem »Winter« auf der Nordhalbkugel; die Temperaturen schwanken zwischen 15° und 25° C – manchmal bis 30° C oder mehr – die Nächte sind angenehm kühl. An den Stränden halten sich dann nur wenig Badende auf. Eines Tages, als das Thermometer 24°C anzeigte, fragten wir einen Carioca, warum sich nur so wenig Leute am Strand tummelten. Darauf seine Antwort: »Im Winter baden, Sie sind wohl verrückt!«. Da sieht man es wieder, der Winter ist oft nur ein Produkt unserer Fantasie ...

»Hochsommer« (Januar/Februar) in Rio bedeutet Temperaturen bis zu 40°C in Verbindung mit einer hohen Luftfeuchtigkeit, die sich nur dank des frischen Küstenwindes ertragen lassen. Spätestens dann läßt die reiche Carioca auch ihren Pelzmantel wieder im Kleiderschrank verschwinden (kein Witz!). Wegen der brasilianischen Sommerferien von Mitte Dezember bis Anfang März kann es bei Hotelzimmern, Flügen usw. zu Engpässen kommen.
Fazit: wer es irgendwie einrichten kann, halte sich an den brasilianischen Winter oder die Übergangszeit.