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Cariocas

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Beschäftigungen der „Cariocas“

Straßenfeger: Traumjob?

Ergehen wir uns ein wenig in Klischees und vertrauen wir darauf, dass selbige meist ein Körnchen Wahrheit enthalten: von allen Brasilianern besitzen wohl der oder die Carioca (männliche und weibliche Einwohner Rios) die ausgeprägtesten Merkmale. Manche Reiseberichte heben besonders sein lässiges, freundliches, unbekümmertes Wesen hervor, andere seine kindliche, naive Art, wie sie in den Wand- und Straßenmalereien anläßlich der letzten Fußballweltmeisterschaft in Brasilien zum Ausdruck kam. Ein bekannter Hersteller von Einwegrasierern kreierte damals für eine groß aufgezogene Werbekampagne einen lustigen Typus, den das ganze Volk von Rio begeistert aufnahm und zur Symbolfigur der Fußballfans machte: plötzlich tauchte er auf allen Wänden auf, bisweilen überlebensgroß. Der Humor der Cariocas ist legendär. Manche politischen Witze entstehen in Rio und verbreiten sich dann rasch über das ganze Land. Es wäre ein Euphemismus zu behaupten, der Carioca sei geschwätzig. Man kann stundenlang mit ihm bei einer Caipirinha hocken, ohne zu merken, wie die Zeit vergeht. Das verspricht zwar fantastische Abende, aber Vorsicht! Der Carioca ist sehr unbeständig. Tragen wir es ihm es nicht nach, wenn er zur verabredeten Uhrzeit ausbleibt. Denn selbst wenn wir nicht mehr im Mittelpunkt seiner Gedanken stehen, wird er uns deshalb noch lange nicht vergessen haben. So spielt eben das Leben in Rio, einer Stadt mit großer Bohème-Tradition und ausgelassenem Nachtleben. Wirtschaftskrise und wachsende Aggressivität der Notleidenden haben inzwischen freilich zu einer Veränderung der zuvor so angenehm unverkrampften Atmosphäre geführt.

Nach Fußball (Futebol) und Bate-papo (Schwätzchen) zählen Karneval und Samba zu den anderen Verrücktheiten des Carioca. In keiner anderen brasilianischen Stadt entladen sie sich mit solcher Kraft wie hier. Selbst wenn man den Hauptumzug im Februar verpaßt haben sollte, bekommt man immer wieder Gelegenheit, das Volk auf der Straße zu erleben, z.B. anläßlich eines Sieges der eigenen Fußballmannschaft. Typischer Ablauf: das gesamte Leben hält inne, die Leute strömen auf die Straße, Musikgruppen bilden sich spontan, und bis spät in die Nacht wird getanzt und musiziert; der Carioca bringt auf diese Weise seine unbändige und hemmungslose Lebensfreude, das Gegenstück zu seiner legendären Unbekümmertheit, zum Ausdruck.

In Rio möchten viele Straßen kehren

Brasilianische Lehrer verdienen kaum mehr

Erstaunlich, aber wahr: In Rio de Janeiro ist der Job des Straßenkehrers kaum weniger beliebt als die traditionellen Wunschberufe Pilot, Mannequin oder Schauspieler. Comlurb, die städtische Straßenreinigung, sucht 1200 neue Straßenkehrer und hat dafür 385000 Bewerbungen erhalten. 380 Kandidaten pro freie Stelle.

Was den Straßenkehrerjob in Rio so interessant macht? 500 Reais Grundlohn (175 Euro) sind bei einem gesetzlichen Mindestgehalt von 300 Reais eine halbwegs attraktive Bezahlung. In den Großstädten Brasiliens sind 20 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung ohne Job. Gerade für unqualifizierte Männer und Frauen ist eine Stelle als Gari verlockend.

Zum Grundlohn zahlt die Comlurb ihren Straßenkehrern noch 195 Reais als Transport- und Verpflegungsgutschrift, darüber hinaus kommt die Firma für die Krankenversicherung auf. Unter dem Strich springen etwa 800 Reais raus – damit finden sich Straßenkehrer in einer Besoldungskategorie mit brasilianischen Universitätsabsolventen im ersten Job wieder.

Die Garis, wie die Straßenkehrer in Rio genannt werden, fallen auf. Männer wie Frauen stecken in knalligen orangenen Overalls. Zur Uniform gehören ein Strohhut und Turnschuhe. Straßen und Plätze reinigen sie nicht nur mit langen Besen, sondern auch mit Palmwedeln. Oft trällern sie eine Samba-Melodie oder bewegen sich rhythmisch zur Musik, die aus Kneipen dringt.

Dass die Garis zur urbanen Folklore gehören, zeigt sich am brasilianischen Nationalfeiertag. Dann tritt die Armee in Rio zur Truppenparade an. Es ist auch der große Tag der Garis: Sie marschieren, die Besen wie Gewehre geschultert, am Gouverneur vorbei und kriegen Applaus von der feinen Gesellschaft auf den Tribünen.

Am Sambadrom haben sich Tausende in eine Schlange gereiht, um auf ihre Körpermaße gecheckt zu werden. Das ist die erste Hürde: Übergewichtige oder Schmächtige scheiden aus. Die zweite Hürde besteht aus Kniebeugen, Liegestützen und einem Zwölf-Minuten-Lauf. Angestellt wird nur, wer auch den praktischen Test mit dem Besen besteht.

In den Räumen im Sambadrom geht es zu wie in einem Bienenhaus. Alles geht Schlag auf Schlag. „Balança liberada“, „Waage frei“, verkündet eine Funktionärin. Körpergröße und Gewicht der Kandidaten werden den Sekretärinnen lauthals diktiert. „Etwas schneller bitte“, ruft die Fuktionärin. Immerhin wollen 7000 Bewerber pro Tag abgefertigt werden.