Religion
Friedrich II. Herrscher ohne Vorurteile
Kein Kulturkampf
Wissenschaftsfeindliches Christentum erst in der Folgezeit
Den dritten Höhepunkt wirtschaftlicher Blüte erreichte das Inselreich unter Friedrich II., der, wie es von einem Schwaben erwartet werden darf, für Recht und Ordnung in Verwaltung, Wirtschaft und Politik sorgte. Sizilien wurde zur Perle seines Reiches und das lebendigste kulturelle Zentrum im Mittelmeer überhaupt.
Friedrich fördert den Anbau von Baumwolle, Indigo, Zuckerrohr und Datteln; sein Hofstaat in Palermo wird zum Sammelort für Künstler, Dichter (»Sizilianische Schule«), Baumeister und Gelehrte, zu einem Treffpunkt der arabischen, byzantinischen, lateinischen und provenzalischen Welt. Sizilien war nach Spanien die Schnittstelle in Europa, wo Christen und Moslems voneinander lernten und das christliche Bewußtsein sprengten. Friedrich II., der selbst Arabisch sprach und schrieb, schuf also einen Staat, der die engen geistlichen Denkweisen des mittelalterlichen Christentums weit hinter sich ließ.
So ließ er z.B. zahlreiche Bücher aus dem Arabischen ins Lateinische übertragen. Darin befand sich oft genug geistiger Sprengstoff für das überkommene Weltverständnis. Hellenistische Denkmethodik durchdrang dank arabischer Vermittlung christliches Denken und bewirkte ein systematischeres, rationaleres Weltverständnis.
Von seinem Aufenthalt in Jerusalem, anläßlich des fünften Kreuzzuges, erzählt eine Legende, dass der Sultan Al Kamil aus Höflichkeit dem Kaiser gegenüber dem Muezzin verbot, die Worte aus dem Koran »Gott hatte keinen Sohn« zur Stunde des Gebets zu sprechen. Der überraschte Friedrich soll daraufhin ausgerufen haben: »Oh Kadi, Ihr tut nicht recht, meinetwegen Eure religiösen Bräuche zu ändern. Wäret Ihr in meinem Lande, könnte Ihr sehen, wie sie von den Muselmanen befolgt werden.«
Sogar Thomas v. Aquin, der europäische Theologie und Philosophie jahrhundertelang bestimmte, war beeinflußt von den arabischen Auslegungen zu den aristotelischen Schriften.
Das Christentum aber stülpte auch auf Sizilien allmählich über ihm Verdächtiges und das war fast alles die Glocke seiner Dogmen. Wie überall konnte sich Kunst nur noch zu religiösen Themen entfalten. So zählen wir zwar jahrhundertelang (in-?)brünstige Marienbilder, Heiligengemälde usw. zuhauf, aber sonst kaum nennenswerte andere Darstellungen. Über den Wissenschaften schwebte fortwährend das Damoklesschwert kirchlichen Banns, so dass Fortschritt auf lange Zeit behindert wurde. So durfte z.B. nicht seziert werden. Die Erkenntnisse griechischer Philosophen, Mathematiker und Gelehrter wurden als heidnisch verboten, die Werke Aristoteles, Platons, Pythagoras und Euklids verbannt oder gleich mit Feuer ausgemerzt.
Die weltberühmte Bibliothek Alexandriens mit vierzig Millionen Schriftstücken, die das gesamte Wissen der Antike barg, stecken sie in Brand, da Heidenwerk.
Zwar hatten die Christen in der ersten Zeit zahlreiche Märtyrer gezählt, aber einmal etabliert, drehten sie den Spieß um, und es ging nunmehr allen Heiden und Ketzern an den Kragen.
So wurde die ebenso durch Gelehrsamkeit wie Tugend ausgezeichnete und schöne Hypathia, die letzte große Philosophin des Neuplatonismus, bekannt und gefeiert in der ganzen damaligen Welt, vom christlichen Pöbel 416 auf brutalste Weise in Alexandrien umgebracht. Mönche aus dem Nitrischen Gebirge überfielen sie hinterrücks, schleppten sie in eine Kirche, zogen sie nackt aus und zerfetzten sie mit Glasscherben. Von den Kreuzzügen, den Ausrottungskriegen gegen die Katharer, Hexenverbrennungen usw. wollen wir hier mal gar nicht reden.
Die Kenntnisse der Antike verfielen, wurden unterdrückt, verfälscht. Überall Engstirnigkeit und Denkverbote, die jegliche gesellschaftliche Entwicklung bremsten und gemessen an der Antike z.B. zu mehr oder weniger starkem Verfall und Verblödung führte.