Italiener statt Bourbonen
Bourbonen, Briten und »Risorgimento«
Rebellische Sizilianer proben den Aufstand
Spaghetti statt Bouillabaisse - ein neues Land: Italien
Nach dem Utrechter Frieden 1713, der den Erbfolgekrieg beendet und die Teilung Spaniens besiegelt, fallen Sizilien an Savoyen, die Lombardei, Neapel und Mantua (Nebenlande) an Österreich. 1735 wird Sizilien den Bourbonen aus Spanien zugewiesen, die ihren Besitz bis 1860 halten können.
Unter Karl III. und Ferdinand IV. (bzw. dem III. von Sizilien) verfolgen sie eine aufgeklärte Reformpolitik, besonders auf wirtschaftlich-kaufmännischem, steuerrechtlichem und religiösem Gebiet. Die reichen Händler und gerissenen Barone ließen sich das Heft aber nicht kampflos aus der Hand nehmen und schafften es sogar, das Volk auf ihre Seite zu ziehen.
In napoleonischer Zeit, als französische Truppen Neapel besetzen, sucht Ferdinand IV. zweimal Zuflucht in Palermo (1799-1802 und 1806-1815). Auf Sizilien hatten sich unterdessen zwischen 1806 und 1814 die Engländer eingenistet. Ihr Befehlshaber Lord William Bentinck gewinnt großen Einfluß auf Ferdinand II., seit der Restauration »König beider Sizilien«. Die erste liberale Verfassung, weitgehend am englischen Vorbild orientiert, wird verabschiedet.
Nach Abzug der englischen Truppen schaltet Ferdinand aber wieder um auf absolutistische Methoden und setzt 1816 die Verfassung von 1812 außer Kraft, was die Sizilianer verbittert und der patriotischen Bewegung neuen Auftrieb verleiht. Wiederholt kommt es zu Aufständen, z.B. 1820 und 1821, die jedoch nichts fruchten. 1848 setzt sich Parlermo an die Spitze einer Revolution, die auf ganz Sizilien übergreift und den Zweck verfolgt, die alte Verfassung wieder einzuführen. Ferdinand II. willigt für das ganze Reich ein, aber die unzufriedenen Sizilianer wollen eine eigene, nach dem Vorbild jener von 1812.
Die Rebellion dauert deshalb an. Schließlich wird eine autonome Regierung gebildet, die dem Herzog von Genua die Krone anbietet, nach kurzem Widerstand im April 1849 aber von bourbonischen Truppen aufgelöst wird.
Nach 1849 erweist sich die Lage auf Sizilien als immer undurchschaubarer und chaotischer. Aufstände in den Jahren 1854, 1856 und 1859 bereiten der sogenannten Impresa dei Mille den Weg. 1860 erreicht das »Risorgimento«, die nationale Wiedererstehung Italiens, dann seinen Höhepunkt: der »Zug der Tausend« oder »Rothemden« durch Sizilien und Kalabrien, angeführt von Giuseppe Garibaldi, vollendet die Ziele der italienischen Einheitsbestrebungen.
Am 22. Oktober 1860 entscheidet sich das Volk bei einem Referendum mit fast absoluter Mehrheit für den Anschluß Siziliens an Piemont. Im März 1861 wird Viktor-Emanuel II. zum König Italiens gekrönt. Sein Königreich umfaßt neben Piemont und der Lombardei auch das Königreich beider Sizilien, die Romagna, Parma, Modena, die Toskana, die Marken und Umbrien.
Sizilien erlebt stürmische Jahre, geprägt von etlichen antipiemontesischen Aufständen. Landwirtschaft und Industrie haben Mühe, sich zu erholen und sich des norditalienischen und ausländischen Kapitals zu erwehren. Die Wirtschaftslage ist am Vorabend des Ersten Weltkriegs prekär; die sozialen Zustände sind himmelschreiend.