Autonome Region
Sizilien wird autonome Region
Späte Ankunft im industriellen Zeitalter
Umweltsünden als Nebenwirkung
Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte die Zentralregierung in Rom, separatistischen Strömungen auf Sizilien durch Schaffung einer autonomen Region (am 26.2.1948) den Wind aus den Segeln zu nehmen. Schon 1946 wurde in Palermo ein eigenes, sizilianisches Parlament eingesetzt. Wahlen zum ersten sizilianischen Provinzparlament führten 1947 zu einem Überraschungserfolg des Linksblocks aus KPI und PSI: obwohl die Mafia für einen »ordnungsgemäßen Verlauf der Wahlen« gesorgt hatte, indem sie für ihre linke Gesinnung bekannte Bauern massiv einschüchterte, einsperrte und dann unter Bewachung ins Wahllokal eskortierte, erreichten beide Parteien zusammen fast ein Drittel aller Stimmen. Das konnte Teilen der konservativen römischen Regierung damals nicht geheuer sein, auch wenn De Gasperi in Catania erklärte, die Autonomie sei ihm heilig.
Die Einrichtung der sogenannten Cassa del Mezzogiorno mit dem Ziel, Landwirtschaft und Industrie in Sizilien (und im gesamten Mezzogiorno) anzukurbeln, vermochte allerdings nur wenig an den tiefgreifenden wirtschaftlichen und strukturellen Schwierigkeiten zu ändern, deren verhängnisvolle Auswirkungen im gesellschaftlichen und politischen Bereich bekannt sind: Mafia, ausufernde Bürokratie, Korruption, Landflucht, Auswanderung der Sizilianer als Gastarbeiter nach Oberitalien oder ins Ausland usw. Seit einigen Jahren wissen wir freilich auch, dass diese Erscheinungen Italien längst als ganzes betreffen.
Die fünfziger Jahre brachten dem von den Christdemokraten mit absoluter Mehrheit regierten Sizilien eine eilig durchgeführte Landreform sie erwies sich für Kleinpächter und Tagelöhner als Enttäuschung und die Aufhebung der Latifundien. Verteilt wurden nämlich häufig nur solche Flächen, die ohnehin niemand wegen ihres Zuschnitts oder schlechter Bodenqualität haben wollte. Dennoch schmeckten die Reformen den Großgrundbesitzern nicht, deren Zorn und Mißtrauen sie erregten. Im Verein mit der Mafia kochten sie das Thema Separatismus noch einmal hoch, und Rom fürchtete zurecht, das Pulverfaß Sizilien könne explodieren. Aber daraus wurde nichts: die Revolution der landbesetzenden Kleinbauern verlief im Sande, Landflucht zehrte an der Substanz der Dörfer, und die Landwirtschaft wurde nicht mehr als zukunftsträchtiger Wirtschaftszweig angesehen.
Sizilien steuerte mit Macht auf eine Industrialisierung hin, wobei kapitalintensive, umweltbelastende und nur wenige Arbeitsplätze anbietende Grundstoffindustrien sich im ohnehin begünstigten Küstenbereich ansiedelten und den Rahm der staatlichen Förderung im Rahmen des »Nationalen Solidaritätsfonds« abschöpften. Landwirtschaft, Kleinunternehmer und Fremdenverkehr, die Investitonsanzeize und verbilligte Kredite nötiger gehabt hätten, wurden schlicht und einfach übersehen. Böse Zungen sprachen damals von Wirtschaftskolonialismus der Großindustrie sicher nicht zu Unrecht.