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Bräuche

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Lebensart und Gewohnheiten

Schlafen, spazieren, sterben...

Die Siesta

Die Wurzeln der Siesta reichen bis in die Antike zurück. Gerade im Sommer wird nach dem Mittagessen der Gehsteig hochgeklappt. Die Geschäfte schließen, der Verkehr verlangsamt sich und die Arbeiter der »sechsten Stunde« (Siesta kommt von lat. sexta hora) sind die Ausnahme. Dann, sagt das römische Sprichwort, sind nur noch Hunde und Franzosen unterwegs. Was jahrhundertelang gut war, kann so schlecht nicht sein, deswegen ist man als Besucher sicher gut beraten, diesem bewährten Rhythmus zu folgen, der Leib und Seele regeneriert. In jüngster Zeit wurde von den Behörden der Versuch unternommen, diese allen Italienern liebgewordene Gewohnheit abzuschaffen. Das Exempel kam von ziemlich weit oben, hat doch Papst Johannes Paul II., der erste nicht-italienische Papst seit der Renaissance, seinen Mitarbeitern den Mittagschlaf abgewöhnt. Eine Schande!

Die »Passeggiata«

Zwischen 18 und 20h füllen sich die Straßen mit einer absonderlichen Menschenmenge, die unentwegt die Straße hinauf und wieder hinunterwandelt: die Passeggiata, in Sizilien eine richtige Institution! Uns fremden Besuchern bietet sich hier die Gelegenheit, eine der ausdrucksstärksten Äußerungen des städtischen und besonders dörflichen Lebens kennenzulernen. Zur Stunde der Passeggiata wird auch deutlich, wie weit Sitten und Gebräuche in den letzten Jahren vom gesellschaftlichen Umbruch betroffen sind. Früher lief die Promenade auf dem Corso oder der Piazza nach einer strengen Regie ab: zunächst das Mannsvolk in seinen besten Anzügen, die Füße in spitz zulaufende Schuhe gezwängt, die wie ein nagelneues Lirastück funkelten. Dahinter die Frauen, deren farbenfroher Aufzug sich vom düsteren männlichen Einerlei wohltuend abhob. Jungen und Mädchen wandelten in streng getrennten Gruppen: unter dem wachsamen Auge der Dorfgemeinschaft kam als einzige Sprache nur diejenige der Augen in Betracht. Wer nur den Bruchteil einer Sekunde zu lange hinschaute, galt fast schon als versprochen. Die Zeiten haben sich geändert, und inzwischen gehören sogar männerumarmende und -küssende Frauen zum Straßenbild. Ja, doch! Wenn dann einige belanglose Worte gewechselt sind und der Zeiger auf 8 Uhr zuwandert, tritt die ganze Gesellschaft den Heimweg an, und die Familie nimmt wieder ihre allmächtige Stellung ein.

Die Bedeutung des Todes

Auf Sizilien gelten dieselben Maßstäbe wie in anderen Mittelmeerländern auch für alles, was mit dem Tod zu tun hat. Dieser ist in sämtlichen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens gegenwärtig. Schwarz gekleidete Frauen, die Hauswände in der Stadt geradezu tapeziert mit Todesanzeigen im Plakatformat (bis 80 cm!), schwarz auf weißem Grund, häufig sogar farbig ausgemalt. Wohlhabende leisten sich sogar Christusbilder im Vierfarbendruck – gesehen u.a. in Agrigent, Syrakus, Taormina. Jeder setzt sich mit seinem Plakat ein Denkmal. Die Familie gibt das Hinscheiden bekannt, aber für die gleiche Person ebenfalls die Nachbarn, das Büro oder die Fabrik, der Fußballverein usw. Es folgen die Danksagungen, die Bekanntmachung der ersten Wiederkehr des Todestages, der zweiten usf.

Und dann die Morde und Racheakte, die schließlich auch zur Mythologie des Todes gehören; die berüchtigte Indolenz der Sizilianer – Faulheit, sagen die Boshaften – ist sie nicht Ausdruck »des Wunsches nach einer wollüstigen Regungslosigkeit, eine andere Form des Todeswunsches«, wie es Tomasi di Lampedusa so treffend in seinem »Leoparden« (»Il Gattopardo«) formulierte?