Touristenführer
Fußmarsch durch Lucca
Staunen und erleben
Alles spricht dafür, das Auto stehenzulassen und die eigenen Füße zu gebrauchen! Auch weil die meisten Einheimischen ihre Rostlaube gegen das Fahrrad eintauschen. In den Straßen geht´s drum gemütlicher zu als andernorts. Patina an den Häuserwänden ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass Lucca seine Seele noch nicht an den Massentourismus verscherbelt und sich bislang fragwürdige Errungenschaften der Zivilisation vom Hals gehalten hat. Hoffen wir, dass dieser Zustand noch lange anhalten möge! Die malerischen Festungsmauern wurden als Rundweg ausgebaut, begrünt und gewähren immer mal wieder einen Ausblick in die ländliche Umgebung oder auf verwunschene Gärten, die so ihr Geheimnis preisgeben müssen. Wir beneiden unsere Leser schon jetzt ...
Mit den Bauarbeiten zum Duomo wurde im 11. Jh. begonnen. Drei Kolonnadengalerien an der Frontseite erinnern an die Kathedrale zu Pisa und im Erdgeschoß bilden drei mächtige Arkaden den Portalvorbau aus. Augenblick mal! Hat sich hier der Architekt etwa in seinen Plänen geirrt? Die Fassade stößt jedenfalls gegen den schon vorher 69 m hohen Turm dort und mußte um den letzten Bogen verkürzt werden. Das Ergebnis ist eine keineswegs abträgliche Asymmetrie.
Werfen wir einen Blick ins gotische Innere, wo uns farbiger Marmor und einige hochrangige Kunstwerke erwarten: so auf dem dritten Altar rechts ein »Abendmahl« Tintorettos und in der Sakristei der bemerkenswerte Altaraufsatz Ghirlandaios, »Jungfrau Maria mit Kind auf dem Throne« Volto Santos Schwarzer Christus in Holz aus dem 12. Jh. liefert den Anlaß zu einer großen Prozession, die jedes Jahr am 13. September über die Bühne geht (nicht verpassen). Ferner das Grabmal Ilaria del Carretto Guinigis, eine Reihe weiterer Gemälde und Skulpturen, die Taufbecken, die Kanzel uvm. Im rechten Schiff hängt Alessandro Alloris »Darstellung Mariä im Tempel«. Beim Verlassen des Duomo unbedingt auch die Kirche auf der Seite der Apsis und hier besonders die elegante Loggia in Augenschein nehmen. Da wir nun schon mal hier sind, auch gleich noch das Portal der Kirche Santa Maria della Rosa in der gleichnamigen Straße miteinbeziehen.
Zurück über die Piazza San Giovanni, um festzustellen, dass die ebenso getaufte Kirche der optischen Konkurrenz des Duomo standhält. Das sehenswerte Portal aus dem 12. Jh. besitzt Kapitelle, auf denen sich Löwen tummeln. Steinerne, was denn sonst? Die Piazza Napoleone nebenan verdankt ihren Namen der Schwester des Korsen, Elisa Bacciochi. Dieser hatte Napoleon Lucca kurzerhand »geschenkt« - ist doch generös, oder etwa nicht? Im Hintergrund die langgezogene gelbe Fassade des Herzogspalasts.
Palazzo Mansi: Via Galli Tassi, T. 555 70. Zutritt außer montags von 9-19h, feiertags nur bis 13h. Beherbergt die Nationalpinakothek mit Werken der italienischen und flämischen Schule. Lohnend auch das Hochzeitszimmer mit seinem außer Rand und Band geratenen Dekor aus Gold und bestickter Seide.
San Michele in Foro: wo früher das Forum Romanum für Betrieb sorgte, dehnt sich heute einer der malerischsten Plätze Luccas aus. Und hier erhebt sich auch das Meisterwerk pisanischer Romanik, vor dessen üppig mit Tierfriesen und einem Erzengel Michael verzierter Fassade mit fünf Stockwerken wir minutenlang fasziniert verharren werden. Jede der kleinen Säulen besitzt eine anderes Aussehen! In einer Ecke steht jene Muttergottes mit Kind, welche die Stadt 1480 nach einer Pestepidemie stiftete. Rundum bilden gediegene Wohnhäuser den passenden Rahmen, an der Ecke der Via Veneto ergänzt durch den Renaissancepalast Pretorio. Im Vorfeld von San Michele die Via di Poggio mit dem Geburtshaus des Opernkomponisten Puccini. In der Via do Loretto schließlich der Palazzo Orsetti - schönere Portale gibt´s in ganz Lucca nicht zu sehen.
Via Fillungo heißt die breite Geschäfts- und Flaniermeile Luccas, ihrerseits von Palais und mittelalterlichen Behausungen gesäumt, etwa dem Palazzo Cenami oder dem Haus Barletti. Die Schaufenster und Auslagen vor den Läden stammen noch aus Urgroßmutters Zeiten und weisen Originalinschriften oder -schilder auf. Das Haus Nr. 104 mit Juwelierladen präsentiert sich mit einer besonders »feschen« Fassade. Zwischen 18 und 19.30h abends spielt sich hier die Passeggiata ab.
Piazza Anfiteatro: so etwas haben wir noch nirgends gesehen: hier ist die Stadt buchstäblich über die Ränge in die alte römische Arena hineingewachsen. Malerische Häuser erheben sich rundum, fußen auf römischen Fundamenten und respektieren brav den vorgegebenen elliptischen Grundriß. Schlendert man durch die Via dell´Anfiteatro und beobachtet genau die Hausfronten, erkennt man noch an etlichen Stellen Steinblöcke und Bauelemente, die vom römischen Amphitheater herrühren. Auf der Piazza selbst - am liebsten würden wir uns hier eine kleine Wohnung mieten! - unterbreiten uns kleine Läden ihre verführerischen Auslagen. Eine Piazza wie aus dem Bilderbuch! Das ganze Viertel möchte man mit nach Hause nehmen.
San Frediano: eine der bemerkenswertesten Sakralbauten, nur wenige Meter von der Via dell´Anfiteatro. Was der ohnehin schon originellen Fassade Seltenheitswert verleiht: ein hübsches Mosaik aus dem 13. Jh. auf der Stirnseite. Im Inneren herrscht eine feierliche Strenge. In den Seitenkapellen wurde nicht an Kunstwerken gespart besonders die letzte Kapelle des linken Kirchenschiffs, wo eine marmorne Altarschranke (»Jungfrau Maria, umringt von vier Heiligen«) die Form eines gotischen Polyptychons aufweist. Eine Augenweide auch die romanischen Taufbecken. Darüber schwebt eine »Mariä Verkündigung« aus Terrakotta von Andrea della Robbia. Eingehendere Betrachtung verdienen auch die Fresken in der Augustinus-Kapelle, darunter die »Versetzung des heiligen Gesichts von Luni«
Palazzo Pfanner: Via C. Battisti; neben der San-Frediano-Kirche. Das Stadtpalais aus dem 18. Jh. zeichnet sich duch eine genauso breite wie stattliche Treppe aus weißem Marmor aus. Unbedingt die Stadtmauer dahinter erklimmen, um den paradiesischen, mit Statuen gespickten Park einsehen zu können. Als Hintergrund machen sich Apsis und Campanile von San Frediano besonders vorteilhaft.
Guinigi-Turm und Palazzo: am Schnittpunkt von Via San Andrea und Via Guinigi, wo sich der mittelalterliche Charakter Luccas noch am unverfälschtesten erhalten hat. Die Backsteinanlage aus dem 14. Jh. besticht durch ihre innere Harmonie und außergewöhnlich fein gearbeitete, von schmalen Säulen gegliederte Fenster. Gegen Zahlung einer Gebühr darf man die 230 Stufen bis zur Turmspitze hinaufkraxeln. Kuriosum am Rande: der Bewuchs aus grünen Eichen auf dem Turm, die daran erinnern, dass einst stolze Bäume den ganzen Palast umstanden. Ganz Lucca mit seinen mosaikartigen Ziegeldächern liegt uns hier oben zu Füßen.
Chiesa und Piazza Santa Maria Forisportam: schon wieder einer dieser malerischen Plätze ... Zu sehen ist noch der Stumpf jener Säule, die bei den Palio-Rennen als Zielmarke diente. Die Kirche wurde nach dem Vorbild der Kathedrale von Pisa errichtet und weist rund um das Portal reiche Verzierungen auf. »Schlaf der Jungfrau Maria und Himmelfahrt« im Inneren, auf Holz gemalt.
Via del Fosso: Lucca ist wirklich reich gesegnet mit nicht alltäglichen Sehenswürdigkeiten. Während nur wenig an die Stadtmauer aus dem 8. Jh. erinnert - etwa das befestigte Gervasius-Tor - wurde der ehemalige Graben geschickt in das städtische Straßennetz eingeflickt. Malerischer Ausblick auf die Via del Fosso von der Madonna dello Stellario an der Piazza San Francesco aus hübscher Brunnen am Eingang.
Nationalmuseum Villa Guinigi: Via della Quarquonia, in Nachbarschaft der Piazza San Francesco. T. 460 33. Einlaß täglich außer Montags von 9-19h, feiertags nur bis 13h. Die Öffnungszeiten im Winter lauten 9-16h. Hier handelt es sich um den eleganten Wohnsitz eines Adligen im 15. Jh. Sehenswert sind die archäologischen Sammlungen, mehrere mittelalterliche Gemälde mit religiösen Motiven, Seide und sonstige wertvolle Stoffe, Goldschmiedearbeiten sowie antikes Mobiliar.
Stadtwall: wurden mit Bäumen bepflanzt und stellt eine ideale Promenade dar. Die Altstadt umgaben schon im 16. Jh. fast vier Kilometer lange Befestigungsanlagen, mit denen flämische Ingenieure die alten Anlagen vervollständigten. Die 12 m hohen und an der Basis 30 m breiten Mauern lockern elf Bastionen und sechs Tore auf.
In der näheren Umgebung
Collodi: 20 km nordwestlich von Lucca, in der Nähe von Pescia. Dem steil ansteigenden Dorf verdankt der Autor des Pinocchio, Carlo Lorenzini, sein Pseudonym. Der seinem Kinderheld gewidmete Freizeitpark ist gewiß nicht jedermanns Sache aber die Villa Garzoni mit ihren Gärten sollte man sich nicht entgehen lassen.