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19., Anfang 20. Jahrhundert

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Wurzeln des heutigen Chicago

Gangsterstadt und Industriemetropole

In geschichtlicher Zeit diente der Platz als Durchgangs- und Verbindungspunkt für Indianer, Forscher und Missionare zwischen Kanada und dem Mississippibecken, bevor er sich zum ständigen Stützpunkt des Fellhandels entwickelte. 1803 wurde an der Mündung des Chicago River ein Fort errichtet. Dieses wird, im Verlauf der Eroberung des Westens, zur unumgänglichen Etappe auf der Eroberung unbekannter Landesteile.

Mitte des letzten Jahrhunderts hatte Chicago sich zu einem bedeutenden Eisenbahnknotenpunkt gemausert und bildete den Anfangspunkt der 1869 fertiggestellten, berühmten »Union Pacific«-Linie nach San Francisco. Chicago profitierte vom Bürgerkrieg, indem es seinen Konkurrenten Saint Louis ausstach, das zu nah am Schlachtfeld lag. Die Stadt ist bald Schauplatz einer der größten Viehmärkte und entwickelt parallel dazu eine Industrie. Upton Sinclair schilderte 1906 in »The Jungle« – auch auf Deutsch erschienen – die unglaublichen hygienischen und sozialen Verhältnisse so eindrucksvoll, dass innerhalb von sechs Monaten aufgrund öffentlichen Skandals die Gesetze, Nahrungsmittel betreffend, verschärft wurden.

Ob sich deswegen auch etwas auf sozialem Gebiet getan hat, ist uns unbekannt. Noch 1833 werden gerade 400 Einwohner gezählt, 1870 sind es bereits 300.000, eine Million im Jahre 1890, zwanzig Jahre später bereits zwei Millionen und heute, unter Einbeziehung der Vorstädte, acht Millionen Einwohner.

Eine riesige Feuersbrunst im Jahre 1871 gibt den entscheidenden Anstoß zur Modernisierung der Stadt unter Zugrundelegung anderer Maßstäbe und Baumaterialien.

Das Jahr 1886 stand im Zeichen von Streiks und Arbeiterunruhen. Sechs Gewerkschaftsführer werden, nach einem Schauprozeß, gehängt. Der 1. Mai, der Tag der Urteilsvollstreckung, wird seitdem international als Tag der Arbeit gefeiert. Die berühmte »Prohibition« von 1919-1933, die jeglichen Verkauf von Getränken mit einem Alkoholgehalt von über 0,5 % untersagte, verursachte eine industriemäßig betriebene illegale Destillation und die Entwicklung der Speakeasies (heimlicher »Flüsterkneipen«). Der Bandenkrieg um diesen fruchtbaren Markt kostete Hunderte das Leben und führte generell zu einer Stärkung organisierten Verbrechens, besonders der Mafia. Das Geld floß in breiten Strömen, zum großen Teil jedoch in die Taschen der unlauteren Polizisten und Politiker. Nebenbei: die Mafia war in Italien fast völlig unter Mussolini zerschlagen worden. Ihren Aufschwung in der Nachkriegszeit verdankt sie allein den Amerikanern, die sie gegen linke Gewerkschaftler und Parteien einsetzten.

Im Verlauf eines der blutigsten Jahre registrierte man 1.059 Verbrechen jeglicher Art, von denen nur fünfundzwanzig Fälle aufgeklärt wurden! Mord und Korruption haben Chicago für lange Zeit einen negativen Stempel aufgedrückt.