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Architektur

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Chicago und die Architektur

Moderne Hochhäuser aus Stahlbeton und Glas

Form und Funktion

Eines schönen Abends im Jahre 1871 versetzte die Kuh von Mrs. O´Heary einer Petroleumlampe einen Tritt. So begann das flammende Inferno, das ein Drittel der Stadt und das gesamte Geschäftsviertel verschlang. Chicago schuldet diesem Ereignis seinen Titel als »Welthauptstadt der Architektur«, hatte zunächst jedoch 250 Tote und 20.000 zerstörte Häuser zu beklagen. Tausende Tonnen Schutt, die in den See geschoben wurden, bildeten, nebenbei bemerkt, die Grundlage für die spätere Schnellstraße »Lake Drive«.

Da sich Holz als unzweckmäßig erwiesen hatte, gingen Architekten, Stadtplaner und Ingenieure auf die Suche nach anderen Baumaterialien. Das traf sich gut, da die Stahlwerke gerade so weit waren, einen Stahl zu entwickeln, der über Zug- und Druckfestigkeit verfügte. Eine entscheidende Entdeckung, da die Verwendung von Stahl für die tragenden Teile eines Gebäude viele knifflige Probleme löste: das Eigengewicht der Konstruktion; die erforderliche hohe Windbelastbarkeit (gerade in Chicago ist diese sehr hoch) den Einfluß der Sonne, unter deren Einstrahlung sich die Fassaden ausdehnen, während sie sich im Norden zusammenziehen usw. Die Stahlbautechnik leistete also den ersten Wolkenkratzern Geburtshilfe.

Drei Architekten und mit ihnen drei Perioden symbolisieren die Architektur Chicagos: Sullivan, Wright und Mies van der Rohe. Sir William, genannt Baron Jenney, entwickelte 1885 das erste Gebäude mit Metallstruktur, das Home Insurance, das längst schon wieder verschwunden ist. Louis H. Sullivan verdankt Chicago seine ersten Kunststwerke. Der »Wolkenkratzerpoet« öffnete mit seinem Spruch »form follows function« (die Form muß sich der Funktion beugen) erst die Tür zum großen Abenteuer.

Zu Beginn hielt man sich stark an den europäischen Architekturvorbildern. So wurden die Gebäude mit Renaissance-, Gotik- und Romanikfassaden versehen, ja man scheute selbst vor Anleihen in der Antike nicht zurück. Daniel H. Burnham und sein Partner John W. Root stachen in diesem Genre besonders hervor. Als herausragende Vertreter der Chicagoer Schule sollten William Holabird und Martin Roche, Erbauer des berühmten Tacoma Building von 1886, unbedingt erwähnt werden.

Der Assistent von Sullivan (von 1887-1893), Frank Lloyd Wright, mit seiner eher antikonformen Geisteshaltung, eine Rücckehr zum Neoklassizismus konstatierend, wollte die Sache weitertreiben. In seinen Augen stießen die neuen Materialien und Techniken bald an ihre Grenzen, wenn nicht auch der Innenraum, der Platz des Individuums in der Architektur und sein Verhältnis zur Natur neu überdacht werden würde. Er wandte seine Grundsätze zunächst bei Privathäusern an, bevor er sie auf seine grandiosen Werke wie das Guggenheim-Museum in New York übertrug.

Wright versuchte, bedrückende Enge zu vermeiden, schuf in Wohnungen mehrere Halbgeschosse, die sich harmonisch mit Öffnungen und äußeren Galerien ineinanderfügen. Er nahm im übrigen 1889 sein eigenes Haus in Oak Park in Angriff.

Ludwig Mies van der Rohe, deutscher Architekt und ehemaliger Leiter des Bauhauses, mußte vor dem nationalsozialistischen Regime flüchten und arbeitete seit 1937 in den Staaten. Er erneuerte die Architektur von Grund auf, indem er seit den vierziger Jahren verstärkt große Glasflächen, ob nun plan oder gebogen, einsetzte. Sein Verständnis für einfache, strenge Formen und Proportionen war hoch entwickelt.

Ihm verdankt Chicago den geschwungenen Lake Point Tower und New York den berühmten Seagram. Auch er machte Schule und seine Nachfolger verfielen samt und sonders einer Architektur aus Stahl und Glas, die den Gebäuden den fantastischen Effekt von Vertikalität verleiht, jene die unendlichen Weiten des Himmels erobernden Formen ...