Von einem Ende zum anderen
Inselrundfahrt
Eine 37 km lange Straße folgt der Küste, schlängelt sich die Berge hinauf und landet wieder in fruchtbaren Ebenen. Wiederholt ergeben sich fantastische Ausblicke über die Inselwelt.
Zur Vermietung von Motorrollern s. Kapitel »Verkehrsmittel«. Der Bus fährt an der Kreuzung Corso Vittorio Emanuele/Marina Lungo ab (Esso-Schild). Abfahrtszeiten sind im Verkehrsamt zu erfahren. Wer einen Pkw zu mieten gedenkt, sollte dies für einen halben Tag tun.
Gehen wir im umgekehrten Uhrzeigersinn vor: zunächst Richtung Monte Rosa - aber nicht durch den Tunnel sausen! - und in die Berge Richtung Serra und Pirrera, wo der erste Zwischenhalt fällig wird. Ein fruchtbares Plateau, übersät mit Obstbäumen und Grotten. Bis heute erinnern Rauchschwaden (Fumarolen) daran, dass Lipari eigentlich aus sieben ineinander verschachtelten Vulkanen besteht. In Pirrera soweit wie möglich in Richtung Forgia Vecchia vorstoßen, wegen der schönen Aussicht nämlich.
Canneto: fünf Kilometer nördlich der Inselhauptstadt. Nur von geringem Interesse: der große Kieselstrand ist im Sommer wegen des Zeltplatzes überfüllt. Mini-Werft. Wer sich für Bootsbau interessiert, sollte aber besser bei Nuncio am Strand von Marina Lunga vorbeischauen. Der baut bis heute seine Fischerboote so, wie vom Vater und Großvater gelernt!
Am Ortsausgang von Canneto führt die Straße ins Bimsgestein, hinauf zu den bis heute betriebenen Steinbrüchen. Dann drei Kilometer weiter, etwa bis zu einer Brücke und einem Gebäude mit der Aufschrift La Cava. Sich von der Straße aus zum Meer hinuntergleiten lassen: die Basaltrutsche könnte man fast für eine Schneepiste halten. Am Strand die aufgelassenen Basaltbrüche besichtigen; noch während des Krieges schickte Mussolini Kommunisten und andere Oppositionelle als Zwangsarbeiter hierher. Gezwungen, ohne Atemschutzmasken zu arbeiten, starben sie binnen weniger Monate an Silikose (Staublunge). Übrigens: die Eigentümerfamilie ist immer noch eine der reichsten auf der Insel, ähnlich, wie ja auch der Einsatz von Zwangsarbeitern in Deutschland zahlreichen Unternehmen nicht gerade zum Nachteil gereichte. Die eindrucksvollen Anlagen scheinen von heute auf morgen aufgegeben worden zu sein: Maschinen, Lagerstätten und Außenpontons befinden sich immer noch an Ort und Stelle. Aufpassen, wohin man den Fuß setzt! Wer für Geologie etwas übrig hat, sollte sich in der Nähe jener Steinbrüche annehmen, wo heute noch Basalt und Bimsstein abgebaut wird. Ein Ingenieur klärt Interessierte über die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des vulkanischen Gesteins auf, welches hier in hoher Qualität gewonnen wird, um damit Bildschirmröhren für Fernseher zu polieren, Seide aufzurauhen - zu »karden«, wie der Fachmann sich ausdrückt - chemische Katalysatoren auszurüsten sowie Wäsche, Schönheitsprodukte usw. herzustellen. Daneben findet Basalt bekanntlich auch in der Baustoffindustrie Verwendung. Bimsstein dient zur Herstellung von Halbleitern und »stonewashed« Jeans. Was sonst?
Wieder zurück auf die Straße: einen Kilometer weiter stoßen wir auf die Obsidian-Ader des Monte Pilato. Bloß auf die Hände aufpassen: das Zeugs schneidet wie Glas. Die Azteken brachten dem Lavaglas übrigens religiöse Verehrung entgegen: sie benutzten es für Menschenopfer - aber das paßt wohl nicht ganz hierher.
Setzen wir unseren Weg fort bis Acquacalda, fremdenverkehrsmäßig noch wenig erschlossen. Zu sehen gibt´s hier - außer einem langen Kieselstrand - aber wirklich kaum etwas. Machen wir uns daher an den Aufstieg in die Berge: nach etwa acht Kilometern erreichen wir die grüne Hochebene von Quattropani.
Hier auf der linken Seite nach dem Weg suchen, der zur Chiesa Vecchia, einer kleinen entzückenden Kirche in griechischem Stil führt. Bisweilen finden hier Messen ohne Priester statt. Eine Minikassette auf dem Altar ersetzt diesen zur allgemeinen Zufriedenheit. Von dem Vorgebirge, auf dem die Kirche steht, hat man einen überwältigenden Rundblick über das Meer. Bei klarem Wetter sind alle anderen Inseln des Archipels, außer Vulcano, zu erkennen.
Wenn man Quattropani wieder verläßt, Augen offenhalten nach einem schmalen, nicht auf Anhieb zu findenden Weg, der nach rechts zu den Kaolin-Gruben führt. Diese besonders weiche Tonart schillert in allen Regenbogenfarben und findet bei der Fayenceherstellung Verwendung. Das Blau der griechischen Keramiken im Äolischen Museum rührt Fachleuten zufolge von diesem Kaolin her. Wer dem Weg weiter folgt, gelangt an die menschenleere, natürlich belassene Westküste der Insel. Aussicht und Landschaft werden in der Erinnerung haften bleiben. Bei klarem Wetter sind sogar die schneebedeckten Hänge des Ätna zu erkennen. Alte Bauern aus der Gegend erzählen, man finde hier, wenn man nur intensiv danach Ausschau halte, eine Art Bonsai-Schonung, die von Arabern nach dem Eroberungszug des türkischen Seeräubers und Herrschers von Algier, Barbarossa, auf der Insel angelegt worden sei. Und wir dachten immer, die Bäumchen stammten aus Fernost!