Manaus
Exotisch und legendär
Latex-Land
Manaus(Vorwahl: 092)
Manaus ein Name, mit dem man immer noch gerne Legenden und exotische Bilder verband. Die Stadt war lange Zeit unzugänglich, da Reisende früher, dem Amazonas flußaufwärts folgend, über zehn Tage benötigten, um dort anzukommen. Heute ist die Urwaldstadt dank Lilienthal, Wright & Co. für jedermann ohne großen Zeitaufwand erreichbar. Während man eine fast magische Stadt erwartet, über alle Maßen üppig, stößt man nach Landung in der äquatorialen Feuchtigkeit indes auf eine große und moderne, eher traurige Stadt. Besitzt die im 19. Jahrhundert berauschende Kautschuk-Kapitale etwa keine Seele? Doch, natürlich, aber die gibt sich nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Reich und verehrt zu Zeiten des »weichen Goldes«, dem Latex, erlebte Manaus nach dem Ende seines Gummimonopols einen harten Abstieg und sank 1915 in den Stand einer kleinen, verschlafenen Provinzstadt zurück. Schwimmende oder auf Pfählen errichtete Elendsviertel zeugen von dem, was das Ende des brasilianischen Traumes für die Bewohner bedeutete. Der Manaus 1967 verliehene Status einer Freihandelszone hat die Wirtschaft wiederbelebt. Die Stadt mit über einer Million Einwohnern erfreut sich seitdem einer stabilen Gesundheit. Unterdessen sind jedoch die »zollfreien« Preise massiv angestiegen, und so ist die Freihandelszone auch nicht mehr das, was sie einmal war. Selbst die Brasilianer nehmen nun den Weg hierher nicht mehr auf sich.
Der Kautschukboom
»Manaus« steht stellvertretend für das große Kautschukabenteuer: seine Geschichte beginnt mit jenem klitzekleinen Einschnitt in der Rinde des Hevea brasiliensis genannten Baumes. Die aus dieser Wunde blutende weiße und elastische Masse war den Indianern seit langem bekannt, aber als Goodyear 1840 die Vulkanisation entdeckte, wurde der Seringueira (wie die Indianer den Gummibaum nannten) plötzlich ein begehrter Baum. Es fand sich, dass er nur in Brasilien wuchs. Von 1870 an strömten Tausende von Bauern aus dem Nordeste herbei, von Armut getrieben, um für die aufsteigenden Kautschukbarone bei der Latexgewinnung zu arbeiten. Die Erfindung des Luftreifens in den Jahren um 1880 verzehnfachte die Nachfrage.
Auf der einen Seite häufte man kolossale Reichtümer an, auf der anderen Seite starben diejenigen, die im Dschungel schufteten (die Seringueiros) wie die Fliegen, Opfer der Malaria, der Parasiten und der unerträglichen klimatischen Bedingungen. Manaus gedieh prächtig, leistete sich prunkvolle Villen, Straßenbahnen und ein blühendes kulturelles Leben. Ein solches Monopol rief verständlicherweise die Großmächte auf den Plan, unter ihnen das Königreich Großbritannien, welches über Kolonien mit idealen klimatischen Bedingungen für die Anpflanzung des Gummibaumes verfügte. So gelang es 1876 dem Engländer Henry Wickham, sich heimlich mehrere zehntausend Samenkörner zu verschaffen und diese in der Haut zweier ausgestopfter Krokodile nach England zu entführen. Kaum zweitausend davon überlebten die Reise; aber, in den Gewächshäusern des Königlichen Botanischen Gartens in Kew bei London angepflanzt, bildeten diese den Grundstock für die ersten Gummibaumreihen in Malaysia und auf Ceylon. Als die britischen Plantagen 1910 das Produktionsniveau Amazoniens erreichten, fielen weltweit die Börsenkurse und Manaus Abstieg war nicht mehr aufzuhalten.