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Das Mafia-System

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Wie die Mafia funktioniert

Organisiertes Verbrechen auch in anderen Regionen

Geldquellen der Mafia

Traditionell kontrollieren Angehörige der Mafia die Märkte in einer Reihe sizilianischer Städte. Auch die Schutzgelderpressung (Tangente) – längst im internationalen Rahmen ausgeübt – blickt auf eine lange, unrühmliche Vergangenheit zurück, gefolgt von Prostitution und Schmuggel. Modernere Wege der Kapitalbeschaffung betreffen den gesamten Bausektor – korrupte Beamte und Politiker schusterten der Mafia immer wieder öffentliche Aufträge zu – den Bereich der Glücksspiel- und Vergnügungsindustrie, den Drogenhandel – traditionell gute Geschäftsbeziehungen bestehen zum Nahen Osten – den internationalen Waffenhandel, das Bankenwesen (Geldwäsche!) und natürlich den erpresserischen Menschenraub. Einen Anspruch auf Vollzähligkeit erheben wir bei dieser Aufzählung wohlweislich nicht ...

Mafiahochburgen

In der Frühzeit war die Mafia auf dem flachen Land zu Hause, bis sie merkte, dass auf den Feldern für wenig Geld hart geschuftet wird und dieses in den Städten leichter zu verdienen war. Mafiahochburgen sind (oder waren) Palermo, Alcamo, Corleone, Gangi, Villalba und Catania. Wer diesen sizilianischen Städten seinen Besuch abstattet, erwarte bloß nicht, irgendwelche Gangster verdächtig umherhuschen zu sehen, handelt es sich bei der Mafia doch per definitionem um etwas Unsichtbares: für die einheimische Öffentlichkeit und erst recht für den Touristen. Villalba z.B., die historische Hauptstadt der ländlichen Mafia an der Straße von Palermo nach Caltanisseta, ist ein Dorf wie alle anderen auch, das im Rhythmus der Jahreszeiten lebt. Dabei hauste hier der legendäre Don Calogero (»Don Calo«), der in den dreißiger bis fünfziger Jahren unangefochten die Region beherrschte. Nur in Corleone wird die Mafia »sichtbar«, und zwar sinnfälligerweise auf dem Friedhof: zwei Gräber stehen hier für jenen sozialen Konflikt, dem die Existenz der Mafia eher geschuldet ist als angeblichen Charaktereigenschaften der Sizilianer. Die letzte Ruhestätte Bernadino Verros repräsentiert den blutig niedergeschlagenen Bauernaufstand am Ende des vorigen Jahrhunderts. Damals ging es unter dem Namen Fascii siciliani um Landreformen und Selbsthilfe gegen die feudal herrschenden Grundherren. Vierzigtausend Soldaten bedurfte es damals, um die Bauern niederzuhalten. Als diese dann abzogen, übernahm die Mafia, gleichsam als Staatsersatz, den Auftrag der Großgrundbesitzer, den abhängig beschäftigten Besitzlosen zu zeigen, wer Herr im Hause ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dann wiederholt mit Waffengewalt Bestrebungen zur Bildung von Genossenschaften und Landbesetzungen vereitelt. Die zweite Grabstätte entpuppt sich als aufwendige Familiengruft eines mächtigen Mafiabosses in den vierziger und fünfziger Jahren: Michele Navarra. Bei ihrem Anblick wird klar, wer die ehrenwerten Mafiosi sind, die für ihre Verdienste um die Erhaltung der Gesellschaftsordnung mit den höchsten Ehren der Republik ausgezeichnet werden.

Innerer Aufbau der Mafia

Eigentlich bezeichnet der Begriff Mafia nur eine von insgesamt vier Gruppierungen, die den Süden Italiens unter sich aufteilen. Die Mafia heißt in ihrer Heimat übrigens Cosa Nostra und beansprucht Palermo und ganz Sizilien. Die übrigen Geheimbünde sind:

  • Die Camorra: enstanden im 19. Jahrhundert in Neapel und in Kampanien, heute beherrscht vom Familienclan der Alfieri;
  • Die N´drangheta: in Reggio di Calabria; faßt hundertvierzig Familien zusammen, die sich aber untereinander das Wasser abgraben;
  • Und die Sacra Corona Unita: in Tarent, Brindisi und Apulien, erst Ende der siebziger Jahre ins Leben gerufen.

    Alle vier »ehrenwerten Gesellschaften« haben ihre Fäden inzwischen über Europa und die ganze Welt gesponnen.

    Als Ausdruck der Ausübung quasistaatlicher Macht aus dem Untergrund folgte die Mafia stets eigenen Regeln und Gesetzen. Oberstes Gebot war seit jeher das Schweigen über Namen und Aktivitäten aller Mitglieder. Bisweilen treibt die Schweigepflicht bzw. deren Mißachtung seltsame Blüten: da trug in Palermo die Frau des Mafioso Marco Favaloro nur deshalb bereits Trauer, weil dieser »gesungen« hatte, mithin zum Verräter wurde und für sie deshalb schon so gut wie tot war. Die ungeschriebenen Regeln der Cosca gilt es übrigens auch dann einzuhalten, wenn dies die Tötung eines Blutsverwandten bedeutet.

    Die »Ehrenwerte Gesellschaft« – Onorata Società – fiel im Lauf der Jahrhunderte zunehmend der Degeneration anheim. Der Schutz von Personen wandelte sich zu blanker Erpressung, aus gerechtfertigter Rache oder zu Zwecken der Selbstverteidigung begangene Taten machten gewöhnlichem Verbrechertum und blutigen Abrechnungen zwischen rivalisierenden Sippen Platz. Aber Gewohnheiten sind unverwüstlich, und das »see no evil, hear no evil« hat sich in den Gemütern fest eingenistet. Mit dem Begriff »omertà« bezeichnet man in Italien diese stillschweigende Komplizität weiter Bevölkerungsteile mit den Kriminellen – wobei natürlich die Angst, selber zum Opfer zu werden, eine wesentliche Rolle spielt.

    Grundbaustein der Mafia sind die Cosca genannten Gruppen von Mafiosi, die der Leitung eines einzelnen Mafiosi oder einer ganzen Famiglia unterstehen. Aus den einzelnen Familien setzt sich denn auch die Ehrenwerte Gesellschaft zusammen, welche die Verteilung der Pfründe, ganz modern »Investitonsgebiete« genannt, unter sich regelt.