Römische Kino-Folklore
Römische Kinofolklore
Freiluftkinos mal anders
Jeden Sommer spielt sich in Rom ein Freilichtspektakel ab, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen darf. Die Römer nennen es Massenzio. Alles fing in der Maxentius-Basilika, gleich neben dem Kolosseum, an. Dort werden von 20.30-4h ununterbrochen die besten italienischen, ausländischen, klassischen und avantgardistischen Filme auf eine Riesenleinwand projiziert. Von einigen haben wir schon gehört, dass sie ihr Leben dafür gäben, in diesen majestätischen Ruinen den »Napoleon« von Abel Gance sehen zu können. Seither läuft der Massenzio auch schon mal an anderen Plätzen, weshalb man sich genau erkundigen sollte. Allabendlich stellen sich die Eingeweihten zum Apéritif dieselbe Frage: »Was läuft heute in Massenzio?« Ganz Rom rennt hin, Publikum, Autoren und Schauspieler wie Kraut und Rüben, alle hocken sie andächtig vor der dreißig mal zwanzig Meter großen Leinwand. Über das Programm erteilt die Rubrik »Massenzioland« in den Tageszeitungen Auskunft. Ein großer Augenblick erwartet einen unter dem Sternenhimmel.
Nur zur Erinnerung: unweit von Rom versinkt die Cinecittà (»Kinostadt«) langsam aber sicher in einen Dämmerschlaf, mit ihren aufwendigen Studios und dem bis noch vor kurzem quicklebendigen Geist namens Fellini, der sie immer wieder heimsuchte. Als Kassenschlager erweisen sich, da macht Rom leider keine Ausnahme, die Produktionen aus Hollywood. Die Studios sind leider der Öffentlichkeit unzugänglich.
Die Eintrittspreise sind nach Kategorien gestaffelt, der Prima, Seconda und Terza Visione. Neue Streifen laufen als Prima Visione, sind daher die teuersten, und das ohne Platzbeschränkung: jeder wird hereingelassen; so läßt sich der Film im Stehen oder auf dem Boden sitzend miterleben.
Natürlich finden sich auch Kinos in geschlossenen Räumen mit Klimaanlage und sonstigen Annehmlichkeiten. Programme sind dem Paese Sera und der Settimana Romana zu entnehmen. Das einzige Kino, in dem amerikanische oder englische Filme in Originalversion gezeigt werden, ist das Pasquino, Vicolo del Piede 19, in Trastevere (Tel. 580 36 22). Es hat sogar ein Schiebedach! Wer um des Daches willen hingehen möchte, schaue in den Paese Sera, wähle einen Film der dritten Kategorie, rufe an, ob das Dach geöffnet wird und marschiere einfach hin.
Das Spektakel in den billigeren Kinos spielt sich vor allem vor der Leinwand, im Saal also, ab. Das Publikum futtert, schwatzt, kommentiert den Film und alles drumherum. Man kann sich auch mal wieder ein Melodram vom Typ Ben Hur in einem der ärmeren Stadtviertel gönnen: Aufstand um die Karten, im Saal schnieft alles gotterbärmlich, die Tränen fließen in Sturzbächen. Es ist zum Steinerweichen. Bei Filmriß oder sonstigen Störungen erhebt sich ein solcher Proteststurm, als hätte man die Löwen losgelassen. Wunderbar!
Für ideologische Auseinandersetzungen und um sich mit zukünftigen Freunden zu treffen eignen sich die Filmklubs. Wir empfehlen das Filmstudio, Via Orti d´Alibert, 1, Tel. 654 04 64. Musikfilme, hin und wieder Pop. Für Linke und Co. siehe Uscita, Via dei Banchi Vecchi, 45, Tel. 65 22 77.